Das Geheimnis der toten Vögel
zwischen den Autos herumschlichen und mit Wasserpistolen fuchtelten. Wahrscheinlich hatte sie Angst, dass jemand zurücksetzen könnte, während sie sich hinter einem Auto versteckten. Wenn er nur etwas mehr Zeit gehabt hätte, wäre die Frau an der Kasse nicht schlecht gewesen. Vielleicht ein andermal.
Nachdem er im Supermarkt Bier, Zigaretten und einen Blumenstrauß gekauft hatte, fuhr Hans Moberg nach Kappelshamn. Bei Storungs blieb er eine Weile am Wegesrand stehen. Vielleicht war es am besten, wenn er das Pferdegesicht erst einmal anrief und sicherstellte, dass sie auch keinen Besuch hatte. Niemand ging ran, und da kam ihm plötzlich der Gedanke, dass sie vielleicht auch im Urlaub war. Wahrscheinlich hatte sie davon gesprochen. Vielleicht sollte er ihre letzte Mail noch mal etwas genauer lesen.
Hans Moberg manövrierte den Wohnwagen in ein Gebüsch und wartete auf die Dunkelheit. Auf dem Herd machte er sich Erbsensuppe warm, die er direkt aus der Dose aß, dann nahm er ein kleines Bad in dem kalten, seichten Wasser auf der anderen Seite der Straße, ehe er den Kaffeekessel aufsetzte und die eingegangenen Mails checkte.
Die E-Mails der Kuschelmaus aus Skåne hatte er aufgehoben. In ihren Briefen schwang eine Wärme mit, die er gern wieder erleben würde. Und da – die E-Mail, die Sandra Hägg geschickt hatte. Er hätte schwören können, dass er die gelöscht hatte. Was hatte er nur dort in seinem Rausch verloren gehabt? Wenn er nur seine fünf Sinne beisammen gehabt hätte, dann hätte er ihre Möbel nicht zerschlagen. Wie konnte sein Hirn nur auf so eine kranke Idee kommen? Panik, vollkommen klar. Er hätte wegrennen sollen. Er hätte … Warum, warum bloß war er nach dem missglückten Treffen mit der Frau aus Skåne nicht nach Hause gegangen und hatte sich ins Bett gelegt? Jetzt war die Polizei hinter ihm her, und das war ziemlich unangenehm.
Im Schutz der Dunkelheit fuhr Hans Moberg den Wohnwagen und das Auto in die Scheune von Cecilia Granberg. Jetzt fühlte er sich etwas sicherer. Vielleicht würde er davonkommen, wenn er sich eine Weile versteckt hielt. Wenn die Vogelgrippe sich richtig ausbreitete, dann würde die Polizei kaum die Zeit finden, nach ihm zu suchen. Die hätten vollauf damit zu tun, Lebensmitteltransporte, Geschäfte und Apotheken vor Einbrechern zu schützen, und der ein oder andere Bulle würde sicher auch dabei draufgehen. Da würde man sich aufs Festland begeben können, und dann …
Man merkte deutlich, dass die Anlage von einer alleinstehenden Frau ohne Interesse für Motorfahrzeuge bewohnt wurde. Die Scheune war bis auf einen Webstuhl, eine alte Mangel und einen Korb mit Birkenholz leer. Das war besser, als er in seiner Not zu hoffen gewagt hatte. Er war in einer saublöden Situation, aber es war kein Weltuntergang. Cecilia war für vierzehn Tage nach Griechenland gereist. Mubbe hatte vorsichtig bei einer Fensterscheibe auf der Südseite den Kitt gelöst, die Scheibe herausgehoben und war hineingeklettert. Wenn sie zu Hause gewesen wäre, hätte sie ihn nicht herzlicher willkommen heißen können. Die Speisekammer war voller Konserven. Im Keller lagerten an die fünfzig Flaschen Gotlandsdricka, und in der Tiefkühltruhe gab es ein prächtiges Lager an Packungen mit jeweils einer Portion. Dillfleisch, Klopse, Kohlrouladen, Lammkoteletts, Kartoffelklöße und gotländische Lammfrikadellen. Das Einzige, was ihm fehlte, waren die Schlüssel zu Cecilias Auto. Der Gedanke, dass sie die vielleicht mitgenommen haben könnte, war ein wenig beunruhigend.
Während er in ihren Taschen wühlte, die im Schlafzimmer hingen, murmelte er für sich ein stilles Stoßgebet. Schuhe und Handtaschen mussten zusammenpassen, hatte er in einer Damenzeitschrift im Internet gelesen, und hier gab es sowohl Schuhe als auch Taschen bis zum Gehtnichtmehr. Wie konnte sie in diesem Berg nur zwei gleiche Schuhe finden? Das war doch wie die Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen. Wo mochte sie nur die Schlüssel hingelegt haben? Er wagte nicht, Licht zu machen, falls ein Nachbar wusste, dass sie verreist war, und dann käme, um nachzusehen. Im Flur unterhalb der Treppe hingen die Jacken. Er durchsuchte die Taschen, und da klapperte plötzlich etwas. In der Tasche eines langen hellen Mantels lag das Schlüsselbund, auf das er gehofft hatte. Autoschlüssel, Hausschlüssel und noch ein paar Schlüssel mehr, von denen er nicht wusste, wofür sie waren.
Es ging schon auf Mitternacht
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