Das Geheimnis der toten Vögel
Mitteln, die uns zur Verfügung stehen?« Jonatan spürte, dass die Wut ihn fast die Kontrolle verlieren ließ.
»Es ist immer noch wichtig, Panik zu vermeiden«, sagte Åsa Gahnström. »Vor allem müssen wir erst einmal dafür sorgen, dass die Leute sich ruhig verhalten und die Anweisungen befolgen, die wir erteilen. Ich habe selbst des Nachts Albträume wegen dieser Sache, das können Sie mir glauben.«
»Es muss doch möglich sein, mehr Leute herzubekommen: pensionierte Sprechstundenhilfen oder arbeitslose Krankenschwestern und Pfleger«, meinte Morgan. »In einer solchen Situation müsste man die herbeordern können, nicht nur im Krieg oder bei anderen Katastrophen.« Die vordringliche Frage, abgesehen davon, dass man Medikamente und Personal beschaffen musste, war die der Betten.
»Das Sanatorium wird nicht ausreichen, wenn es eine Massenepidemie gibt. Wir brauchen funktionelle Räume, Sauerstoff, Betten. Ich weiß nicht, wie wir das mit den Krankschreibungen handhaben sollen. Die Leute haben Angst vor der Ansteckung und bleiben zu Hause. Die Leute, die jetzt arbeiten, werden das nicht ewig durchhalten.« Jonatan sah Schwester Agnetas müdes Gesicht vor sich und spürte einen Kloß im Hals. Er musste Zeit finden, um mit ihr zu reden. Wenn nur diese Besprechung vorbei war, dann durfte nichts mehr dazwischenkommen.
»Früher, als die Tuberkulose wütete, gingen die Leute zur Arbeit«, sagte Morgan. »Aber das waren andere Zeiten, da hatte man einen anderen Respekt vor Autoritäten, und es galt als edel, an andere zu denken und sich selbst zurückzustellen.«
»Man kriegte kein Geld und konnte seinen Unterhalt nicht bestreiten, wenn man nicht arbeiten ging. Aber es wäre wohl kaum politisch korrekt, mit diesem Argument zu kommen.« Åsa Gahnström gab ein kurzes Lachen von sich, das eher einem Hustenanfall glich. »Entweder ist man verhungert oder an Tbc gestorben. Heute Morgen habe ich mit einem Vertreter der Landesvereinigung der Bestatter gesprochen. Sie befürchten, dass es Schwierigkeiten geben wird, alle Toten zu versorgen. Es gibt nicht genügend Kühlräume, und die Mitarbeiter wissen nicht, wie sie sich vor einer Ansteckung schützen sollen. Wir müssen uns so schnell wie möglich darum kümmern. Die Angehörigen wissen nicht, ob man sie beerdigen darf oder einäschern muss. Wir brauchen Informationen. Könnten Sie sich der Sache annehmen, Herr Persson?«
»Darf ich Sie kurz unterbrechen?« In der Tür stand eine Krankenschwester. »Der Provinzhauptmann ist am Telefon, Frau Gahnström. Können Sie rangehen?«
»Wir werden morgen früh eine neue Sitzung mit dem Krisenstab vereinbaren müssen. Um neun in meinem Zimmer«, sagte sie und wandte sich ihren Kollegen zu.
Jonatan hörte das Klopfen an der Tür, antwortete jedoch nicht. Es klopfte wieder, und er murmelte ein »Moment bitte«, während er seine Maske aufsetzte.
»Da ist eine Frau, die Sie sprechen möchte. Sie heißt Maria Wern. Können Sie mit ihr reden?« Diesmal war es die Stimme von Schwester Lena in der Schutzmontur.
»Ja, ich komme gleich.« Jonatan ging zum Waschbecken und badete sein Gesicht in kaltem Wasser, sah sich selbst im Spiegel und stöhnte laut. Das Gesicht war fleckig und die Augen geschwollen. Da war es mal richtig gut, die Maske aufsetzen zu können. In dem Gespräch mit Schwester Agneta war er nicht der Stärkere gewesen. Er hatte versucht, etwas zu sagen, aber seine Stimme war im Weinen untergegangen, und sie hatte die Worte gesagt, die er am meisten gebraucht hatte, dass es nicht seine Schuld sei, dass er wirklich sein Bestes getan habe. Hinterher hatte er sich geschämt.
Als Jonatan sich auf der anderen Seite der Glaswand zeigte, erhob sich Maria und kam ihm in dem Raum, den man für Gespräche eingerichtet hatte, entgegen. Ein Zimmer mit offenem Kamin, einer einfachen Sofagruppe und großen Fenstern mit Aussicht.
»Ich habe von Sebastian gehört.« Mehr sagte sie nicht, ehe sie sich plötzlich in seinem Arm wiederfand, und er musste alle seine Kraft aufbieten, sich nicht den Trost zu nehmen, den er selbst so sehr brauchte, und die Grenze des Angemessenen zu überschreiten. Er fasste sie um die Schultern und schob sie sanft von sich weg, um ihre Augen über der Maske sehen zu können.
»Wie nimmt Emil es auf?«, fragte er.
»Er ist traurig, aber er kann darüber reden. Ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, dass Malte und Ihre Mutter jetzt im Moment bei
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