Das Geheimnis der toten Voegel
wenn die Angestellten nicht auf diese Weise persönlich miteinander verbunden sind. In der Folge werden wir, wenn eine Romanze bei der Arbeit entsteht, die Parteien zu einem Gespräch bitten, und dann wird die Leitung Konsequenzen aus dem Verhältnis ziehen müssen.«
»Wie meinen Sie das?« Es fiel Maria schwer, ihr Erstaunen zu verbergen und ihren Ärger zurückzuhalten.
»Man wird sich darüber einigen müssen, wer für den Betrieb am nützlichsten ist, und der andere wird gehen müssen. Die Arbeit hier ist so wichtig, dass wir absolute Loyalität verlangen. Wenn man gleichzeitig an einen Kollegen gebunden ist, dann entstehen daraus doppelte Loyalitäten.«
»Aber Sie sind doch auch verheiratet«, entfuhr es Maria, ehe sie sich zügeln konnte. Das war nicht der springende Punkt, und wenn sie ihre eigenen Ansichten vortrug, war das Risiko, in eine Sackgasse zu geraten, sehr groß.
»Genau darauf hat auch Sandra hingewiesen, als wir sie und Lennie Hellström zu einem Gespräch einbestellten. Viktoria bot Sandra eine interessante Arbeit in Montreal an, aber sie lehnte ab und sagte, das sei nicht mehr aktuell. Sie hatte bereits beschlossen, sich von ihrem Freund zu trennen. Und was mich und Viktoria angeht, so handelt es sich mehr um eine Partnerschaft als um eine Ehe. Drei Minuten auf dem Rathaus sind doch eine gut investierte Zeit, um eine Menge Papierkram zu sparen. Nein, ich mache nur Witze. Wir sind beide vom Konzern angestellt, und unser Verhältnis wird nicht als Risiko gesehen, denn wir sind zu lange verheiratet, als dass sich dies nachteilig auswirken würde. Viktoria liebt ihre Arbeit.« Er lachte roh und warf seine Haarlocke nach hinten. »Die Rentenversicherungsehe, haben Sie davon noch nie gehört? Nicht? Auch egal. Vergessen Sie’s. Gibt es noch etwas? Die Pflicht ruft.« Er lächelte sie an und erhob sich halb.
»Sie hatten einen Einbruch in der Klinik. Wir haben aber keine Anzeige darüber gefunden. Können Sie mir erklären, warum?«
»Woher haben Sie diese Information?« Plötzlich war da die Wachsamkeit. Er setzte sich wieder auf den Stuhl. Die Augen wurden zu schmalen Schlitzen, und sein Gesicht kam unangenehm nah. Maria richtete sich auf und versuchte, nicht zurückzuweichen.
»Sandra hat eingebrochen«, sagte sie, und ihre Stimme war fest. »Ich nehme an, dass Sie das wissen. Was hat sie gesucht, und warum haben Sie es nicht angezeigt?«
Er saß eine lange Zeit auf dem Stuhl und überlegte, ehe er antwortete. Das war höchst irritierend.
»Die Wahrheit, meinen Sie? War meine Rede über Sandras Verdienste zu schön? Man sollte von den Toten nicht schlecht reden. Es ist wahr, dass sie eine ausgezeichnete Krankenschwester war, aber die Wahrheit ist auch, dass sie medikamentenabhängig war. Wir wollten sie in die Entgiftungsklinik des Konzerns nach Montreal schicken. Unser Programm der Zwölf Schritte hat sich als das wirkungsvollste Instrument für solche Fälle erwiesen. Das Ganze fing damit an, dass ein Kollege berichtete, dass Morphiumampullen fehlen würden. Die Ausgabe von Morphium aus dem Medikamentenlager stimmte nicht mit dem überein, was den frisch operierten Patienten verabreicht worden war. Wir nahmen sie eine Weile ins Visier und stellten sie dann zur Rede. Sie erklärte sich zur Entgiftung bereit, aber dann muss die Sucht doch stärker als die Vernunft gewesen sein, und sie beging den Einbruch.«
»Hat sie etwas mitgenommen?«
»Wir haben alles kontrolliert. Sie hatte Spritzen und Kanülen dabei, aber kein Morphium.«
»Ist Morphium zur Injektion eine Ware, die gekühlt werden muss?«
»Nein, warum fragen Sie das? Wer hat mit der Polizei Kontakt aufgenommen und von dem Einbruch berichtet? Ich habe verdammt noch mal das Recht, das zu erfahren! War es Lennie Hellström? Ich werde dieser Sache auf den Grund gehen!« Das Räuspern, das dann folgte, ließ Maria vor unterdrücktem Zorn fast an die Decke gehen. Es war einfach unglaublich, was für Geräusche er machte. War er erkältet, oder war das eine Art nervöser Tic?
»Es war nicht Lennie Hellström, mehr sage ich nicht. Sie können jetzt gehen, und wenn Ihnen noch etwas einfällt, was uns helfen könnte herauszufinden, was Sandra zugestoßen ist, dann melden Sie sich bitte. Andernfalls müssen Sie sich für weitere Fragen bereithalten.«
»Es ist doch völlig offensichtlich, verdammt noch mal, dass einer ihrer Fixerfreunde sie umgebracht haben muss. Wahrscheinlich hat sie irgendwelchen Freunden eine kleine Party
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