Das Geheimnis der toten Voegel
nach ihm zu suchen. Die hätten vollauf damit zu tun, Lebensmitteltransporte, Geschäfte und Apotheken vor Einbrechern zu schützen, und der ein oder andere Bulle würde sicher auch dabei draufgehen. Da würde man sich aufs Festland begeben können, und dann …
Man merkte deutlich, dass die Anlage von einer alleinstehenden Frau ohne Interesse für Motorfahrzeuge bewohnt wurde. Die Scheune war bis auf einen Webstuhl, eine alte Mangel und einen Korb mit Birkenholz leer. Das war besser, als er in seiner Not zu hoffen gewagt hatte. Er war in einer saublöden Situation, aber es war kein Weltuntergang. Cecilia war für vierzehn Tage nach Griechenland gereist. Mubbe hatte vorsichtig bei einer Fensterscheibe auf der Südseite den Kitt gelöst, die Scheibe herausgehoben und war hineingeklettert. Wenn sie zu Hause gewesen wäre, hätte sie ihn nicht herzlicher willkommen heißen können. Die Speisekammer war voller Konserven. Im Keller lagerten an die fünfzig Flaschen Gotlandsdricka, und in der Tiefkühltruhe gab es ein prächtiges Lager an Packungen mit jeweils einer Portion. Dillfleisch, Klopse, Kohlrouladen, Lammkoteletts, Kartoffelklöße und gotländische Lammfrikadellen. Das Einzige, was ihm fehlte, waren die Schlüssel zu Cecilias Auto. Der Gedanke, dass sie die vielleicht mitgenommen haben könnte, war ein wenig beunruhigend.
Während er in ihren Taschen wühlte, die im Schlafzimmer hingen, murmelte er für sich ein stilles Stoßgebet. Schuhe und Handtaschen mussten zusammenpassen, hatte er in einer Damenzeitschrift im Internet gelesen, und hier gab es sowohl Schuhe als auch Taschen bis zum Gehtnichtmehr. Wie konnte sie in diesem Berg nur zwei gleiche Schuhe finden? Das war doch wie die Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen. Wo mochte sie nur die Schlüssel hingelegt haben? Er wagte nicht, Licht zu machen, falls ein Nachbar wusste, dass sie verreist war, und dann käme, um nachzusehen. Im Flur unterhalb der Treppe hingen die Jacken. Er durchsuchte die Taschen, und da klapperte plötzlich etwas. In der Tasche eines langen hellen Mantels lag das Schlüsselbund, auf das er gehofft hatte. Autoschlüssel, Hausschlüssel und noch ein paar Schlüssel mehr, von denen er nicht wusste, wofür sie waren.
Es ging schon auf Mitternacht zu, als Hans Moberg sich hinsetzte, um die neuesten Nachrichten im Internet zu lesen. Die Bitte des Ministerpräsidenten an die Welthilfsorganisationen um Unterstützung bei der Beschaffung von Medikamenten war die Hauptschlagzeile in der Presse. Zwei weitere Personen waren an der Vogelgrippe gestorben, einer davon ein kleiner Junge namens Sebastian. Vor der Schule in Klintehamn hatte es Auseinandersetzungen gegeben zwischen der Polizei und Eltern, die ihre Kinder nach Hause holen wollten. Es gab ein Bild von der Seuchenschutzärztin, wie sie aufrecht und Respekt gebietend auf der Treppe über der aufgebrachten Menge stand. Im Vordergrund war ein Mann zu sehen, der in beiden Händen Steine hielt. Es gab außerdem eine kleine Notiz über eine dreiunddreißigjährige Frau, die in einer Wohnung in Visby tot aufgefunden worden sei. Kein Suchaufruf nach einem übergewichtigen Mann von Mitte vierzig mit dünnen Haaren. Zur Sicherheit kontrollierte er noch einmal die Lokalnachrichten, und da war sie – die Suchanzeige. Ein Schaudern ging durch seinen Körper. Die Überschrift nagelte seinen Blick auf dem Bildschirm fest und klagte ihn des Mordes an Sandra Hägg an. Jetzt waren sie ihm auf der Spur. Doch eine kleine Frist hatte er bekommen. Wenn er nur richtig ausschlafen und dann ungestört nachdenken konnte, dann würde er schon eine Lösung finden.
Hans Moberg trank einen Schluck Gotlandsdricka und zog eine Grimasse. Cecilia hatte damit angegeben, dass sie im Brauwettbewerb von Gotlandsdricka auf Platz drei gekommen sei. Pfui Teufel. Er wollte lieber nicht wissen, wie die Sachen wohl schmeckten, die keinen Preis gekriegt hatten. Das Leben war ein Elend. Er brauchte wirklich jemanden, mit dem er reden konnte. »Kuschelmaus aus Skåne« war online. Er bemerkte, dass sie ihre E-Mailadresse geändert hatte. Eine freundliche Umarmung war genau, was er brauchte. Scheißegal, dass sie ihn ausgelacht hatte. Sie hatte eine Sanftheit, die ihm sehr gefiel. Ihre Art zu schreiben: Mein Herz und mein bester Freund. Er warf einen Köder aus, und sie biss sofort an.
»Wollte nur ein wenig reden, ist so einsam ohne dich«, begann er zu chatten.
»Das sagst du allen Frauen.«
»Ganz und gar nicht. Ich denke
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