Das Geheimnis der Totenkiste
Demnach vermochte er weder gegen Elis Körper, noch gegen Mara physisch vorzugehen.
Aber hatten die normalen Gesetze auch in diesem Fall ihre Gültigkeit? Sicher.
Doch selbst ohne körperlich etwas zu unternehmen, konnte der Vampir noch seine Hypnosefähigkeit einsetzen – aber nein, nur anderen Astralwesen gegenüber. Und Mara hielt sich schließlich auf der physischen Ebene auf…
»Ich komme«, flüsterte ihr Geist ihm zu. »Ich spüre die Gefahr, in der du dich befindest. Ich komme…«
»Nein!« schrie er ihr zu. »Nein! Kehr sofort in deinen Körper zurück… Sofort… Hörst du?«
Sie antwortete nicht. Da wußte er, daß ihr Geist ihm zeitweilig verschlossen war, daß sie sich bereits darauf konzentrierte, die Astralebene zu erreichen.
Hilflos in seiner Falle sitzend, malte Eli sich verzweifelt aus, wie Mara und das Ungeheuer sich trafen, wie der Vampir das Mädchen unter seine Kontrolle zwingen würde. Und wenn ihr Geist ihm erst erlag…
Er mochte gar nicht weiterdenken. Seine frühere Verzweiflung war nichts verglichen mit jener, die ihn nun erfüllte.
Doch da erinnerte er sich an Hugo. Hugo war ganz in der Nähe. Und der Körper des Vampirs mußte noch näher sein. In einem unteren Stockwerk zweifellos, bei dem Opfer, mit dessem Blut er sich genährt hatte.
Wenn er Hugo veranlassen könnte, die leere Hülle des Vampirs zu suchen…
Sein Gedanke strahlte von seinem Geist geradewegs in Hugos. Es gab zwei Möglichkeiten. Hugo fand den Vampir und zerstörte seinen unbewohnten Körper. Oder die Sinne des Vampirs waren stark genug, die Gefahr zu spüren, und er kehrte in seine Hülle zurück.
In jedem Fall würde Maras und seine Lage erleichtert.
Hugo hatte den Gedankenbefehl verstanden. Er kam bereits näher. Aber würde die Zeit reichen?
Erneut versuchte Eli sich aus dem unsichtbaren Netz zu befreien. Es gelang ihm nicht. Doch diesmal erfüllte ihn keine Verzweiflung. Die Falle konnte nur durch die volle Kraft des Vampirgeists aufrechterhalten werden. Sobald die Kreatur merkte, daß ihr Körper sich in Gefahr befand, würde ihre Konzentration gestört. Der Angriff wurde durch den Gegenangriff neutralisiert.
Eli spürte Hugos Nähe, und gleich darauf die Welle des Entsetzens, die von Hugos Geist auf seinen überschlug.
Er hatte den Körper des Vampirs gefunden.
»Vernichte ihn!« drängte Eli. »Vernichte ihn sofort! Du hast deinen Schutz. Leg Knoblauch auf seine Brust…«
Er fragte sich, ob Hugo ihn verstand. Ob seine primitiven Fähigkeiten als Telepath diesen detaillierten Befehl aufnehmen konnten.
Plötzlich bekam Eli einen Fuß frei. Dann löste sich eine Hand aus dem Netz, danach das andere Bein – seine Arme, sein Kopf, sein Leib.
Endlich war er wieder frei!
Der Vampir hatte die Gefahr gespürt, die seinem Körper drohte. Nun würde er alles tun, um seinen Astralleib in die Sicherheit seines physischen Ich zurückzuversetzen.
Eli schwebte ins unterste Stockwerk des Hauses hinab.
Er erreichte eine kleine Werkstatt, die im Augenblick nur von dem Streichholz beleuchtet wurde, das Hugo soeben angezündet hatte.
Wie erwartet befand sich der Vampirkörper dort. Er lag ausgestreckt in einem halbfertigen Sarg auf einer langen Werkbank, die Hände auf der Brust gefaltet, das Gesicht wachsbleich. Obgleich Eli in seiner Astralform nichts zu riechen vermochte, war er sich doch der Aura von Verwesung und Moder bewußt, die die schwarzgekleidete Gestalt umgab.
Auf dem Fußboden, in einer Ecke des Zimmers, lag zusammengekrümmt das Opfer, für das Eli im Moment jedoch keine Zeit hatte.
Er betrachtete eingehend den hageren Körper, das arrogante weiße Gesicht seines Feindes. Es war ihm, als kenne er es – aber woher?
»Den Knoblauch, Hugo«, befahl er. »Den Knoblauch, oder ein Kruzifix… Schnell, Mann, beeil dich!«
Hugos Streichholz erlosch. Elis Astralaugen vermochten in der Finsternis zu sehen, im Gegensatz zu Hugo, der sich nun im Dunkeln vorsichtig vorwärtstastete und vergeblich versuchte, ein neues Streichholz anzuzünden.
Eli bemühte sich, ihn gedanklich zu lenken, da stolperte Hugo über ein Stück Holz, und die offene Schachtel mit den Zündhölzern fiel ihm aus der Hand. Er bückte sich danach, um sie in dem Durcheinander von Hobelspänen, Holzstücken und Werkzeugen zu finden.
»Der Knoblauch«, drängte Eli. »Es geht auch ohne Licht. Beeil dich, der Knoblauch!«
Plötzlich wurde die Luft in der Werkstatt des Sargmachers eisig. Einen flüchtigen Augenblick glaubte Eli
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