Das Geheimnis der Totenkiste
nachgab – aber ihn weiter festhielt.
Nur etwas war ihm nun klar. Diese fremdartige Schranke konnte nur von einem Magus höchsten Grades errichtet worden sein. Von diesem Vampir? Das schien am wahrscheinlichsten.
Doch das bedeutete, daß der Vampir mehr als nur ein Blutsauger war. Natürlich, weshalb sollte ein Vampir auch nicht Meister der höheren okkulten Kräfte sein? Ein Wesen, dessen Lebensspanne unendlich sein mochte, hatte genügend Zeit, jeden Aspekt der Schattenwelt zu erforschen.
Eli dachte an den Todesschrei, der ihn in diese schreckliche Falle geführt hatte.
Was war aus dem Opfer geworden?
War es bereits seines Blutes beraubt?
Wußte der Vampir überhaupt etwas von ihm? Hatte er die Falle mit der Absicht gestellt, Eli Podgram hineinzulocken, den einzigen Mann in England, der eine Gefahr für die Geschöpfe der Schattenwelt war? Oder war diese Falle nur eine normale Vorsichtsmaßnahme des Vampirs?
Fremde Gedanken stürmten auf Eli ein, wütende, halbgeformte, die nur von Hugo stammen konnten.
Er war nahe. Irgendwie mußte er den Vampir entdeckt haben, und nun wollte er dem Opfer zu Hilfe kommen. Er hatte sicher denselben lautlosen Todesschrei wie Eli vernommen.
Aber welche Chance hatte der riesige Franzose gegen diese Kreatur, die selbst einen Eli Podgram gefangenzuhalten vermochte?
»Nein, Hugo!« schickte er einen Gedankenbefehl aus. »Kehr schnell um! Dieser Vampir ist zu stark für dich! Kehr um!«
Eli spürte, daß in Hugos Geist ein Aufruhr der Gefühle herrschte. Würde er gehorchen? Hatte er ihn überhaupt verstanden?
Doch dann hatte Eli keine Zeit mehr, an Hugo zu denken.
Er war nicht länger allein.
Eine hochgewachsene Gestalt in Schwarz blickte auf ihn herab. Ihre Augen funkelten den Spezialisten unter einem breitkrempigen Hut an.
Von der oberen Hälfte des Gesichts vermochte Eli nur die glühenden Augen zu erkennen. Aber er sah den grausamen Mund – und das Blut, das in dünnem Rinnsal über die Lippen lief.
Er starrte in Elis Augen, und ein Kampf der Willenskräfte entbrannte, als er versuchte, den Spezialisten ganz in seine Gewalt zu ziehen.
Eli spürte, wie seine Kräfte allmählich erlahmten. Er war sich aber auch der ungeheuerlichen Anstrengung bewußt, die es den Vampir kostete, und es war ihm klar, daß er nicht mehr lange durchzuhalten vermochte.
Wenn er selbst nur noch ein paar Sekunden widerstehen konnte…
Plötzlich lächelte der Vampir, und die Anspannung des geistigen Kampfes ließ nach.
Aber es war ein Lächeln, wie Eli es nie mehr in seinem Leben wiederzusehen begehrte.
Der Tod sprach aus dem Lächeln des Vampirs, dazu ein böser Triumph, der fast noch schlimmer war als der geistige Kampf.
Der Vampir streckte die Hand nach Elis Lebensfaden aus, und wieder lächelte er.
Langsam, sich an diesem Faden festhaltend, schwebte er aufwärts, durch die Decke und hinaus in die Nacht.
Erst jetzt wurde Eli bewußt, daß der Vampir ihm in einer Art Astralleib begegnet war – und doch sah er keinen Lebensfaden, der ihn mit dem schlafenden Körper, der irgendwo unter ihm liegen mußte, verbunden hätte.
Mit einem neuen Grauen, das ihm fast die Besinnung raubte, erkannte Eli die Absicht des Vampirs.
Er wollte Elis Lebensfaden bis zurück zu seinem Schlafzimmer folgen.
Und dort war Elis Körper ihm hilflos ausgesetzt!
Und Mara – Mara befand sich ebenfalls im Haus.
Vor seinem geistigen Auge sah er bereits, wie diese Ausgeburt der Hölle sich über das unschuldige Mädchen beugte, wie seine spitzen Zähne sich in ihren weichen Hals bohrten…
Und er konnte nichts, gar nichts tun. Er vermochte weder Mara zu helfen, noch sich selbst.
11.
Eli kämpfte gegen die Verzweiflung an, die ihn zu übermannen drohte. Nicht nur er selbst war verloren, nein, auch Mara. Der Gedanke war unerträglich.
Wie war es. dem Vampir nur gelungen, von seinem Lebensfaden loszukommen? Lag es daran, daß er schon tot war? Daß er sich deshalb frei im Astralzustand zu bewegen vermochte? Aber wie konnte der Geist ohne den Faden zu seinem Körper zurückfinden?
Da entdeckte er plötzlich jenseits des silbrigen Glühens seines eigenen Lebensfadens eine dünne schwarze Linie. Erleichtert atmete er auf. Natürlich! Da der Vampir bereits tot war, leuchtete sein Lebensfaden nicht. Er war schwarz und glanzlos, und deshalb hatte er ihn auch nicht eher bemerkt.
Nachdem Eli die Verzweiflung überwunden hatte, vermochte er wieder klar und logisch zu denken. Der Vampir war in seiner Astralform.
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