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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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zugetan, weil ich Euch in den Klauen dieses … dieses Irren wusste. Gott sei Dank seid Ihr ihm unbeschadet entronnen. Der Mann ist gemeingefährlich …«
    »Ihr seid wohl nicht recht gescheit!«, unterbrach ihn Katharina empört. »Doktor Stefenelli hat mir das Leben gerettet, und das nicht zum ersten Mal. Außerdem ist er voller Sanftmut und Güte.« Sie schüttelte energisch den Kopf. »Wie könnt Ihr nur so etwas Abscheuliches von ihm behaupten?« Katharina wandte sich abrupt von ihm ab und ging mit schnellen Schritten die Gasse entlang, ohne einen Blick zurückzuwerfen.
    »Er ist böse und gefährlich!«, rief Florian verzweifelt. »Glaubt mir doch! Der Mann ist nicht ganz bei Trost …«
    Die Worte verhallten in der Gasse, dann bog Katharina in die Galgengasse ein, und Florian blieb in der Dunkelheit alleine zurück. Mutlos schüttelte er den Kopf und ging mit schweren Schritten ins Haus.

15
    Zehn Tage später
    Am frühen Montagmorgen näherte sich dem Blutgericht auf dem Galgenfeld ein klappriger, von einem Esel gezogener Leiterwagen, auf dem ein dunkelgrau gewandeter Mann mit einem spitzen roten Hut hockte. Sein aufgedunsenes, gerötetes Gesicht mit dem eingesunkenen Kiefer war von unzähligen Pockennarben entstellt, und er brabbelte unverständlich vor sich hin. Der städtische Abdecker Edu Dunckel, von allen nur der »Schundmummel« genannt, fluchte wieder einmal über Gott und die Welt. Die Stadt hatte ihm den Auftrag erteilt, das, was von dem Geräderten noch übrig war, vom Richtplatz zu entfernen.
    An der Richtstätte stritten sich große Schwärme von Raben und Krähen lautstark um das Aas. Der Abdecker näherte sich dem Schafott mit lautem Händeklatschen und schimpfte wüst auf die erbost davonflatternden Vögel: »Hättet ihr den net ganz auffressen können, ihr blöden Viecher, dann hätt ich jetzt wenigstens keine Arbeit mehr mit dem! Aber mir ham heut Mittag schon widder neue Kundschaft, und deswegen muss der jetzt Platz machen«, lispelte er zynisch, während er sich mit einem Stock in den Händen abmühte, Heinrich Sahls sterbliche Überreste vom Rad herunterzuschieben. »Es tut mir leid, Heini, dass ich so grob werden muss, aber dafür kommst du auch in einen schönen, neuen Leichensack.« Der Schundmummel gluckste, während er den Schädel und die angenagten Knochen vom Boden des Schafotts klaubte und in einen grobleinenen Sack warf. Dann legte er das sperrige Behältnis auf den Karren, kauerte sich wieder vorne auf den Wagen und trieb den Esel mit mehreren kräftigen Stockschlägen an.
    Sein Ziel war der Friedhof der Ehrlosen, welcher sich unten am Mainufer, unweit des Gutleuthofes, dem Aussätzigenspital, befand. Dort wurden die Leichen von Selbstmördern, unehelichen Kindern, Verfemten und Geächteten sowie der zum Tode Verurteilten in ungeweihter Erde verscharrt. Eingefasst von einer Mauer aus lose übereinandergeschichteten Feldsteinen, standen auf dem Schindanger weder Holzkreuze noch Grabsteine. Das einzige Gebäude war ein alter, baufälliger Holzschuppen, in dem der Abdecker Hacken, Schaufeln und andere Arbeitsgeräte aufbewahrte und mitunter auch die Leichensäcke lagerte, wenn im Winter der hartgefrorene Boden das Graben unmöglich machte. Auch die Gebeine des Totengräbers wollte der Abdecker in Anbetracht des strengen Frostes vorläufig dort unterbringen.
    Die Sonne war gerade über dem Fischerfeld an der östlichen Stadtmauer aufgegangen und tauchte den Schindanger in goldenes Licht, als der Abdecker den Esel mit einem lauten »Hoh« vor dem Holzschuppen zum Stehen brachte. »Mistsonne«, murmelte er mit zusammengekniffenen Augen, während er sich den Leichensack über die Schulter wuchtete und damit zum Schuppen schlurfte. »Ist ja eiskalt, der Kamerad«, murrte er schlotternd über die gefrorene Last auf seinem Rücken und fügte grinsend hinzu: »Na, hat auch sein Gutes! Wenn die Brüder gefroren sind, dann stinken sie wenigstens nicht so.«
    Gerade wollte er mit dem Ellenbogen die Türklinke hinunterdrücken, da huschte etwas rechts am Schuppen vorbei. Es war eine Schar Ratten, die, von seinem Hantieren aufgescheucht, aufgeregt das Weite suchte.
    »Mistviecher, wühlen mir den ganzen Boden auf und verteilen die Toten überall, und ich darf den ganzen Kram dann wieder einsammeln!«, keifte er aufgebracht, entledigte sich im Schuppen rasch des Leichensacks und griff ergrimmt nach einem Spaten, um draußen auf Rattenjagd zu gehen. Doch als er zu der Stelle kam, wo er die

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