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Das Geheimnis der Totenmagd

Das Geheimnis der Totenmagd

Titel: Das Geheimnis der Totenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Bürgermeisters in aller Weitsicht beraten hatte, einen verstohlenen Blick zu. Als der Untersuchungsrichter daraufhin nur sein übliches Schafsgesicht aufsetzte und verärgert vor sich hin murmelte, setzte er in scharfem Ton nach:
    »Ich würde mich an Eurer Stelle jeglicher Impertinenz enthalten! In Anbetracht Eurer mannigfaltigen Versäumnisse, die Eurem Rufe als Untersuchungsrichter in Frankfurt voraneilen, solltet Ihr froh sein, dass wir Euch überhaupt noch im Amte halten. Ich rate Euch dringend, Lederer, vermeidet es tunlichst, auch nur den Hauch eines Zweifels auszustreuen, was den Freitod des Gassenkehrers anbetrifft, sonst könnt Ihr bald selber die Gräben fegen! – Haben wir uns verstanden?«
    »Ja, Herr Senatsvorsitzender! Es war eindeutig Freitod und damit fertig. Darauf können sich die Herren verlassen, das gelobe ich, bei meiner Ehre!« Lederer hörte nicht mehr auf, vor den hohen Herren zu katzbuckeln und seine Loyalität zu bekunden, bis sie ihn schließlich mit einem verächtlichen »Schon recht!« aus dem Römerrathaus entließen.

16
    Es regnete in Strömen, und der hagere Lohgerber Andreas Borndörfer schlotterte vor Kälte, als er an diesem Mittwoch Anfang Dezember um die achte Stunde in die langgezogene Fahrgasse einbog und sich bei einem der Fuhrknechte nach dem Hause Stockarn erkundigte. Es erwies sich, dass er nur noch einen Steinwurf davon entfernt war. Der imposante Wohnpalast glich mit seinen hohen Mauern und Zinnen einer Trutzburg und schien einen einfachen Mann wie ihn allein schon durch seinen Anblick abzuweisen. Mit zitternden, klammen Fingern griff er nach der Schelle am mächtigen Eingangsportal und läutete zaghaft. Ein Hausdiener öffnete und beäugte ihn misstrauisch, umso mehr, als er bat, mit der Jungfer Anna Stockarn sprechen zu dürfen. Dann ließ ihn der Bedienstete eine halbe Ewigkeit draußen im Regen warten, ehe er Borndörfer erneut auftat. Die junge Herrin geruhe, ihn zu empfangen, sagte er mürrisch.
    Anna bat den völlig durchnässten Fremden in die Wohnstube und bot ihm höflich an, sich am Kamin zu wärmen. Zum Glück schlief ihre Mutter noch, und der Vater war bereits zu seinem Kontor auf dem Römerberg aufgebrochen. Der verhärmte frierende Mann dauerte sie. Er hat bestimmt schon viel einstecken müssen, ging es ihr bei seinem Anblick durch den Sinn.
    »Was genau habt Ihr mit mir zu besprechen?«, erkundigte sie sich freundlich.
    »Es ist so … weil doch mein Bruder Tobias vergangenen Montag genau so aufgefunden worden ist wie weiland Eure Schwester, die Jungfer Stockarin«, stammelte der ärmlich gekleidete Mann und senkte befangen den Blick vor der jungen Frau, die ihn mit ihren herben Gesichtszügen und dem schlichten schwarzen Gewand an eine Stiftsdame erinnerte.
    »Wie meint Ihr das?«
    »Am Tag nach dem Totensonntag hat ihn der Frankfurter Abdecker draußen auf dem Friedhof der Ehrlosen tot aufgefunden. Seine Halsschlagader war aufgeschnitten, und er war vollkommen ausgeblutet, genauso wie damals Eure Schwester. Und er hatte auch eine schwarze Trauerkutte an«, berichtete der Lohgerber und verlor langsam seine Scheu. »Ich weiß, für die Schreckenstat an Eurer Schwester war der Totengräber verantwortlich, und der ist ja jetzt tot. Aber trotzdem gibt mir das alles schwer zu denken, bei so vielen Übereinstimmungen …«
    Anna, die voller Anspannung zugehört hatte, stimmte ihm zu. »Das ist in der Tat alles sehr seltsam. Was sagt denn der Magistrat dazu? Ist jemand mit der Aufklärung des Todesfalles betraut worden?«
    »Der Untersuchungsrichter Lederer macht das, das hat mir der Schundmummel gesagt. Auf Weisung der Obrigkeit hat er meinen Bruder auch schon unter die Erde gebracht. Und da bin ich gestern zu dem Lederer hin, weil … ja, weil mir das alles nicht geheuer vorgekommen ist. Doch der hat mich nur angeschnauzt und gesagt, es gäbe keine Untersuchung mehr, weil der Tobi ja gemütskrank war und sich deswegen auch selber umgebracht hätte. Dann hat er mich rausgeschmissen«, erklärte Borndörfer zerknirscht.
    »Stimmt es, dass er gemütskrank war?«, wollte Anna wissen. Beklommen dachte sie, dass dies noch eine weitere Übereinstimmung zu ihrer verstorbenen Schwester war.
    »Ja, er war schwermütig und wunderlich, die letzten Jahre jedenfalls. Früher war er ganz anders. Hatte Weibergeschichten und Saufkumpane wie andere junge Mannsbilder auch, die noch keinen Stall Kinder zu versorgen haben, so wie unsereiner«, erwiderte der Lohgerber mit

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