Das Geheimnis der Totenstadt - Thriller
schwer zu sagen, was der Mann eigentlich macht. Er hat offenbar zwei Leidenschaften: Zu telefonieren und sich mit irgendwelchen Leuten zu treffen. Ob das immer Freunde sind, würde ich allerdings nicht behaupten wollen. Mal sind die Gespräche ganz entspannt, mal ziemlich angestrengt.«
»War denn Elenas ›Sizilianer‹ dabei?«
Carlo schüttelte den Kopf.
»Nein, so einer war nicht dabei.«
Er hielt seinen Notizblock hoch.
»Ich habe mir zu allen Personen Stichworte gemacht und würde sie auch wiedererkennen. Schau mal, zum Beispiel am Donnerstag. Da hat er sich mit einem Herrn im ›Caffè Mario‹ in der Via Ghibellina getroffen. Sie haben lange geredet und nicht ein Mal gelacht. Manchmal wurde das Gespräch richtig hitzig. Einmal ist Angelo aufgesprungen, aber der Signore hat auf seinen Stuhl gezeigt, und da hat er sich wieder gesetzt. Er schien Respekt vor ihm zu haben. Sie haben immer wieder beschriebene Seiten hin-und hergereicht und dann darüber diskutiert. Aber nie laut, nur mit gedämpfter Stimme.«
Robert goss sich eine frische Tasse Tee ein.
»Kannst du den Mann beschreiben?«
Carlo nickte.
»Oh ja! Er war circa so groß wie du, aber um die fünfzig. Er hatte grau melierte, wellige Haare und einen Vollbart.«
Robert grinste.
»So sehen viele Herren in Florenz aus.« Carlo schaute ihn ärgerlich an.
»So ist es, amico mio. Aber ich habe mir natürlich auch Details notiert, die auffällig waren.«
»Und die wären?« Carlo blätterte in seinem Block.
»Er musste beim Lesen eine Brille aufsetzen. Das Gestell hatte eine merkwürdige Form, und außerdem war es knallrot.«
*
Elenas Stimme klang aufgeregt.
»Robert, entschuldige, dass ich so spät noch anrufe. Ich wollte dir nur sagen, dass ich das Haus der Frescobaldis verlassen habe. Angelo hat mein Zimmer durchsucht ...«
Robert unterbrach sie.
»Weißt du das ganz genau?«
Elena holte Luft.
»Allerdings, ich habe ihn dabei beobachtet. Ich nehme morgen den Flug nach Rom und von dort aus einen nach Kairo. Ich ziehe für heute Nacht wieder ins Hotel Alba an der Via Della Scala. Eine Bitte, Robert. Kannst du mich morgen zum Flughafen bringen? Ich würde mich sicherer fühlen.«
Robert nickte.
»Aber natürlich. Sag mal, hast du dir das auch gut überlegt?«
Elenas Stimme klang wieder sicher und bestimmt.
»Natürlich. Wir haben schon mehrfach beschlossen, mit der Suche aufzuhören und doch immer wieder angefangen. Wenn ich bleibe, würde das ewig so weitergehen, und wir brächten uns wieder in Gefahr. Nein, damit muss Schluss sein! Hol mich bitte morgen früh um acht Uhr ab. Gute Nacht, Robert.«
»Elena ...!«
Aber Elena hatte bereits aufgelegt. Robert ging zurück in sein Atelier. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und blätterte im Kalender.
Morgen ist der dreizehnte, und Maria kommt zurück. Sie lässt auf keinen Fall zu, dass die Suche eingestellt wird. Sie wird auf jeden Fall ...
Was war das?
Robert horchte. Waren da Reifen auf dem Kies zu hören? Autotüren wurden bemüht leise geschlossen. Und nun vernahm er Schritte.
Robert löschte das Licht im Atelier und drückte sich an die Wand neben dem bodentiefen Fenster. Sehen konnte er nichts, dafür war die Nacht zu dunkel. Aber er hatte das Gefühl, dass sich da draußen etwas bewegte. Dann gedämpfte Stimmen.
Auf Zehenspitzen schlich er in die Halle. Dort, hinter der Treppe, war der Sicherungskasten für die Außenbeleuchtung. Nach dem letzten Einbruch hatte er rund um das Haus Bewegungsmelder anbringen lassen. Näherte sich jemand auf ungefähr zehn Meter, schaltete sich eine Reihe von Halogenscheinwerfern ein, die das Gelände in taghelles Licht tauchten. Meistens schaltete Robert die Sensoren aber aus, weil schon Wildtiere oder Katzen in der Nacht für eine ungewollte Illumination gesorgt hatten.
Er öffnete den Sicherungskasten und schaltete die Sensoren ein. Dann nahm er einen Feuerhaken vom Kamin und setzte sich in den großen Ledersessel. Sein Atem ging flach. Er hatte schon öfter überlegt, einen Jagdschein zu machen, dann hätte er wenigstens eine Waffe im Haus. Andererseits widerstrebte ihm der Gedanke ...
In diesem Augenblick schaltete sich die volle Außenbeleuchtung ein. Robert sprang auf und rannte zur Tür, riss sie auf und blieb im Türrahmen stehen, den Feuerhaken schlagbereit in der Hand. Er sah zwei Gestalten, die gerade hinter dem Stallgebäude verschwanden.
»Kommen Sie da raus!«, brüllte er. »Sie haben keine Chance, die Polizei ist bereits
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