Das Geheimnis der Totenstadt - Thriller
keiner der Interessengruppen an. Er gehört ja noch nicht mal der menschlichen ... Ob er noch lebt?
Robert ging zurück ins Haus und nahm die neueste Ausgabe des Telefonbuchs von Florenz aus dem Schrank.
H-I-J-K-L. La ... La ..., da ist er. Lazzarotto, Claudio.
Robert wählte die Nummer und wartete. Nach dem achten Rufton wollte er enttäuscht auflegen, da meldete sich die mürrische Stimme des Professors.
»Professore? Hier spricht Robert Darling. Erinnern Sie sich ... ja? Ich hätte da mal wieder eine Frage. Sagt Ihnen der Begriff ›Die dreizehnte Stadt der Toten‹ etwas? Nicht am Telefon? Wie Sie meinen. Ich soll ... natürlich geht das, ich könnte heute Nachmittag zu Ihnen kommen. Gegen fünfzehn Uhr? Gracie, ciao Professore.«
Er drückte auf die rote Taste des Telefons.
So einfach hättest du es dir gar nicht vorgestellt, nicht wahr, Roberto? Aber warum hatte er ihm bei der Nennung der Totenstadt das Wort abgeschnitten? Lazzarotto war doch froh, wenn ihn niemand besuchte. Und jetzt zitierte er ihn sogar in seine Wohnung?
Er ging in die Küche, wo Catarina gerade emsig in einer Schüssel rührte.
»Catarina, seien Sie doch bitte so nett und haben Sie ein Auge auf Signora Elena. Ich muss nach Florenz, bin aber wahrscheinlich bald wieder hier.«
Catarina nickte.
Dabei warf sie ihm einen Blick zu, der sagen sollte: Kinder bringen verletzte Vögel mit ins Haus, der Signore Darling angeschlagene Frauen.
*
Robert fand den Weg zur Wohnung des Professors, ohne lange suchen zu müssen. Dieser Mann hatte ihn damals in seiner ganzen Skurrilität so beeindruckt, dass alles tief in seinem Gedächtnis eingebrannt war. So fand er das große Mietshaus in der Nähe der Biblioteca Nazionale mit dem schönen Ausblick über den Arno sofort wieder.
Als er gerade klingeln wollte, verließ eine Frau mit einem großen Korb das Haus. Robert griff nach der geöffneten Tür, nickte ihr zu und stieg die Treppen empor. Im Treppenhaus roch es nach Wachs und Artischocken.
Die Wohnung des Professors lag im dritten Stock. Die zweiflügelige Eingangstür war aus polierter Eiche und mit geometrischen Schnitzereien versehen. Robert drückte den Klingelknopf. Nichts regte sich. Er wartete und betätigte die Klingel ein zweites Mal. Wieder ohne Erfolg.
Komisch, er weiß doch, dass du kommst. Oder ob er es sich plötzlich anders überlegt hat?
» Professore?«, rief er mit gedämpfter Stimme und klopfte gegen die Tür. Sie gab nach und öffnete sich um einen Spalt. Robert trat einen Schritt zurück. Es blieb völlig still.
Er stieß die Tür etwas weiter auf.
»Professore, sind Sie da?«
Mit langsamen Schritten betrat er den Flur. Der Geruch von altem Papier stach ihm in die Nase. Im Flur waren, wie damals, unausgepackte und noch nicht einsortierte Bücher gestapelt, die in ihrer Mitte eine Gasse zum Durchgehen freigaben.
Der Professor saß aufrecht in seinem Schreibtischsessel und starrte in Richtung Fenster, von dem aus man hätte den Arno sehen können, wenn es nicht zu zwei Dritteln von einem Bücherregal verdeckt worden wäre. Seine linke Hand ruhte auf der Schreibtischplatte, seine Rechte hing neben der Sessellehne. Darunter, auf den Dielen des Fußbodens, lag ein Kugelschreiber. Die wenigen Haare standen wirr vom Kopf ab.
Man musste kein Mediziner sein, um zu erkennen, dass jedes Leben aus dem Körper des alten Mannes gewichen war. Robert merkte, wie ihm kalter Schweiß auf der Stirn stand. Äußere Verletzungen konnte er nicht entdecken.
Vielleicht hat irgendetwas oder irgendjemand den alten Herrn so erschreckt, dass er einen Herzschlag bekommen hat. Vorsicht, Roberto, irgendjemand hat die Tür offen stehen lassen. Vielleicht ist er noch in der Wohnung. Mach, dass du hier rauskommst!
Dann fiel sein Blick auf den Schreibtisch. Lazzarotto musste kurz vor seinem Tod noch etwas notiert haben. Vor ihm lag ein Schreibblock, von dem die erste Seite mit großer Hast abgerissen war. Ein fast dreieckiger Schnipsel hatte sich nicht von der Gummierung gelöst. Robert beugte sich herunter. Die Schrift war auf die nächste Seite durchgedrückt worden. Er erinnerte sich an einen alten Trick aus Kindertagen, mit dem sie Inschriften von alten Mauern auf Papier übertragen hatten. Man hielt das Papier gegen das Gestein und rieb dann mit einem Stück Zeichenkohle über das Blatt. Mithilfe dieser Frottage-Technik wurden die Kanten der Schrift sichtbar übertragen. Er schaute in die Schale mit den Schreibutensilien, fand einen weichen
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