Das Geheimnis der versteinerten Traeume
sein, dass sein Zimmergenosse Traumkörper sehen und somit auf deren Mimik und Gesten reagieren konnte.
Das Gefunkel in der Drusenkammer nahm zu. Die reglos darin wartenden Hyänenschweine sahen aus wie ausgestopfte Monster unter einer Diskokugel. Das Traumtor öffnete sich. Bestimmt
würde jeden Moment das Wasser zu sprudeln beginnen. Refi Zul keuchte auf. Er schien sich kaum auf den Beinen halten zu können. Die Blicke von Okumus und Leo wechselten zu ihm. Keiner beachtete Benno und wohl niemand ahnte, was er gerade fühlte und dachte.
Er bereute seinen Fehler zutiefst und wollte ihn wiedergutmachen. In seinen Augen war der sogenannte König von Illúsion nichts weiter als ein macht- und geldgeiler Industriemogul. Zul ging über Leichen, um seine Interessen zu schützen. Er hatte Lupo ermordet, eine treue Hundeseele, die keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Das Blut von Orla und vielen anderen, die auf seinen Befehl hin umgebracht wurden, schrie nach Vergeltung. Und jetzt drohte er damit, die ganze Familie Kowalski auszulöschen. Eher bringe ich dich um, dachte Benno.
Rasch zog er hinter dem Rücken den Deckel von der Dose. Er fühlte zwei Schlafpastillen. Sollte er beide nehmen? Dann würde er sofort einschlafen und konnte diesem Ungeheuer von Mensch zeigen, dass auch er ein tüchtiger Schlafverwandler war.
Nein, eine muss reichen, ermahnte er sich und schob sie sich in den Mund. Vielleicht brauchte Leo die zweite noch, um den Bann des Königs zu brechen.
Verstohlen steckte sich Benno den Behälter tief in den Hosenbund. Während die anderen gebannt den Illúsier und das Spektakel in der Drusenkammer beobachteten, wippte er ein paar Mal auf den Zehenspitzen auf und nieder. Dadurch rutschte die Dose in seinem Hosenbein immer weiter herab, bis sie schließlich unten herausfiel. Sofort schob er sie mit der Hacke hinter sich an die Wand. Um das leise Klappern zu übertönen, hustete er einige Male.
Leo sah ihn fragend an.
Benno versuchte, mit den Augen zur Pillendose zu deuten,
ohne dabei den Kopf zu bewegen. Aus der Miene seines Freundes war nicht zu erkennen, ob er den Wink verstand.
»Zurück zu unseren Körpern!«, stieß Okumus plötzlich hervor.
Leos Blick wechselte zu dem Lehrer.
Der deutete auf Huber. »Wir sind in Gefahr. Sein Traum-Ich sucht nach uns. Komm schnell!«
Wie ein Geist zischte Okumus davon.
Aus schmalen Augen sah Leo erst den König, dann dessen Gefangenen an und schließlich sank sein Blick zu Boden. Hatte er die Dose gesehen? Warum zögerte er? In Bennos Kopf tobte ein Zyklon, der dem Wirbel im Traumtor in nichts nachstand. Nun mach schon! , rief er in Gedanken. Endlich wandte sich das Traum-Ich seines Freundes ab. Im Nu war es verschwunden.
Refi Zul keuchte. Er schien ein ganzes Stück zu schrumpfen, als habe er sich nur mit Mühe aufrecht gehalten, um sich keine Blöße zu geben. Offenbar war er am Ende seiner Kräfte. Um so besser, dachte Benno. Sein Blick wanderte zur Decke hinauf. Hatte er da nicht ein paar Spinnweben gesehen …?
Plötzlich brach der von Orla verursachte Erdrutsch mit einem gewaltigen Donnerschlag auf. Eine mörderische Druckwelle schleuderte Schlamm und Geröll weit nach Illúsion hinein. Der Sog war so heftig, dass Benno gegen Refi Zul geworfen wurde und ihn fast von den Beinen riss.
»Weg von mir!«, schrie der König. Er hatte seinen Dolch fallen lassen und klammerte sich mit beiden Händen am Durchgang zur Drusenkammer fest. Drinnen hingen seine Leibwächter mit ihren Krallen an den Kristallen. Einer verlor den Halt und flog schreiend durchs Tor. Sogar Hubers schwerer Körper rutschte langsam darauf zu.
Mit einem Mal beruhigte sich der Strom aus entfesselter
Traumenergie und das gleichmäßige Rauschen eines Wasserfalls erfüllte die Höhle.
Benno schielte nach dem Dolch, der in der Drusenkammer liegen geblieben war. Ob er…?
Unvermittelt zischte ein glasklarer Speer aus der Gischt und bohrte sich in den Rückenpanzer eines an der Decke hängenden Hyänenschweins. Es kreischte kurz auf und fiel zu Boden.
Refi Zul brüllte vor Zorn.
Hubers Traum-Ich streifte wie ein todbringender Wind durch die Gänge und Gelasse. Jahrelang hatte er als Wächter von Salem das Traumtor behütet. Er kannte diese Unterwelt besser als jeder andere.
Vermutlich schliefen Okumus und Leo in der Nähe der Kristallkammer. Jedenfalls hätte er das getan, um in kürzester Zeit leibhaftig zur Stelle sein zu können. Ein Schlafplatz zwischen dem Eingang und der Druse
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