Das Geheimnis der versteinerten Traeume
ungeträumten Träumen ein Ventil verschaffen.
»Trödel nicht herum!«, zischte er übellaunig und zerrte an dem Strick, der ihn mit der kleinen Rotznase verband. Kowalski keuchte und schloss stolpernd zu ihm auf. Um ihn am Fliehen zu hindern, hatte sich Zul das Seil um den Bauch gewickelt. In der Hand hielt er einen großen gebogenen Dolch, den er einem der Wächter abgenommen hatte. Mit der Furcht einflößenden Waffe unterstrich der König seine Entschlossenheit, die Geisel jederzeit zu töten. »Wie nennst du in deiner lustigen Sprache noch gleich einen übergewichtigen, behäbigen Brocken wie dich?«
»Doppel-Whopper«, presste der Gefragte zwischen den Zähnen hervor.
»Richtig! Du hättest mehr für deine Figur tun sollen, Dickerchen. Dann wärst du mir vielleicht entkommen, nachdem ich dich aus dem Sand befreit habe.«
Der Junge schwieg.
Verdrossen starrte Refi Zul wieder auf den Rücken des Blechmannes, der vor ihm lief. Etwa zwei Dutzend Ritterrüstungen eskortierten ihn, Durs Huber, Benno Kowalski und die verbliebenen sechs Traumgeborenen. Das Klappern der Blechkameraden hallte durch den Tunnel, der zum Drusentor führte. Mit den Hohlköpfen war nicht zu spaßen. Außerdem krochen verschieden lange Stücke des zerhackten Gartenschlauches auf dem Boden herum. Bei der ersten falschen Bewegung, hatte der Junge gesagt, würden sie sich wie Fesseln um die Beine der Illúsier wickeln.
Der Oberlehrer und seine Schüler waren wie vom Erdboden verschluckt. Niemand wusste besser als Refi Zul, wie leicht im Traum der Schein trügen konnte. Zweifellos hielten sich Okumus und Leonidas in der Nähe auf. Und vermutlich beobachteten sie ihn. Ihr Bewegungsspielraum war nicht eingeschränkt. Er dagegen musste seinen Leib mitschleppen, wenn er nach Illúsion hinüberwechseln wollte. Wo die zwei wohl ihre Körper versteckt hatten? Er wünschte sich, ihre Hälse zwischen die Finger zu kriegen. Ein tröstlicher Gedanke, der ihn lächeln ließ. Noch hatte er seine letzten Trümpfe nicht ausgespielt. Vielleicht konnte er die Rebellen bestrafen und das Traumtor öffnen. In jedem Fall würde Kowalski seinen Zorn zu spüren bekommen.
Endlich erreichten sie die glitzernde Kammer. Der Tunnel bog an der Stelle nach links ab. Die Traum-Ichs von Okumus und Leonidas warteten beiderseits des Eingangs. Der Oberlehrer deutete in die Druse.
»Da geht’s zum verschütteten Tor. Darf ich fragen, wie Ihr es aufbekommen wollt?«
»Mit einem Bohrer«, antwortete Zul gereizt und machte mit dem Dolch eine entsprechende Bewegung.
»Ihr beliebt zu scherzen.«
»Das liegt mir fern.« Er wedelte mit dem Messer in Leos Richtung. »Dein Adept scheint ja instinktiv immer alles richtig zu machen. Er kann dir gewiss erklären, wovon ich rede.«
Okumus sah seinen Schüler fragend an.
Der zuckte mit den Schultern. »Ich nehme an, er will die Traumenergie in Rotation versetzen. Die Kraft wird auf einen Punkt gerichtet und allmählich vorangetrieben, so wie bei einem Drillbohrer.«
Zul nickte anerkennend. Er bedauerte, den Jungen nicht für sich gewonnen zu haben.
Die Miene des Oberlehrers verriet Zweifel. »Von der illúsischen Seite würde das sicher gut funktionieren, aber nicht von hier. Es könnte Monate dauern …«
»Nicht bei dem derzeitigen Druck, Okumus«, unterbrach ihn Zul. »Sicher haben deine Meister dich gelehrt, dass die Traumenergie nicht zu ruhen vermag. Entweder sie verfliegt oder sie sucht und findet ihren Weg. Danke deinem Adepten dafür, dass die verstopften Tore bald wieder frei sein werden. So wie er der Menschheit den Schlaf raubt, hätte ich es nie gewagt.«
»Dann tun Sie sich keinen Zwang an und bohren Sie endlich«, knurrte Leo. Ihm missfiel sichtlich der Gedanke, seinem Feind in die Hände gespielt zu haben.
Zul gönnte sich ein provozierendes Lächeln, obwohl auch ihm die Zeit unter den Nägeln brannte und die Kopfschmerzen ihn vom Schlaf direkt in die Ohnmacht zu treiben drohten. »Ich möchte, dass meine Traumgeborenen in der Kammer sind, wenn sich das Tor öffnet.«
»Sie meinen, weil Ihre Kräfte inmitten der Kristalle unwirksam sind? Oder sollen sie Ihnen als lebender Schutzschild dienen, falls es unangenehme Nebenwirkungen bei der Auflösung
des Staus gibt?« Leo verzog den Mund. »Tun Sie sich keinen Zwang an. Hauptsache, Sie halten Ihr Versprechen und lassen Benno frei.« Er schwebte an die Seite seines Lehrers und deutete ins Innere der Kammer.
Refi Zul bedeutete seinen Wächtern, ihre
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