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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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schied für ihn aus – zu gefährlich, falls der Feind die Gewölbe eroberte. Wahrscheinlich waren sie im hinteren Teil, den man erreichte, wenn man vor der Kammer links abbog.
    In Windeseile durchsuchte er die Nebengänge und Gelasse zu beiden Seiten des Haupttunnels. Wie Maulwürfe hatten sich hier die Mönche durchs Erdreich gegraben. Später war das geheime Labyrinth von illúsischen Rebellen erweitert worden. Gewöhnliche Menschen vermochten es kaum zu entwirren. Doch als Wächter von Salem war er alles andere als normal. Im Traum konnte man die ganze Welt in einer Nacht umwandern. Und ebenso schnell suchte er nach dem gefährlichen Jungen und seinem Lehrer.
    Für einen Wachenden wären erst wenige Sekunden verstrichen, als Huber die beiden Schläfer fand. Sie lagen nebeneinander
auf Matratzen in einer kahlen Felsenkammer von ungefähr sechs mal zehn Metern. Die gewölbte Decke war erstaunlich hoch. Vielleicht hatten die Rebellen hier früher geheime Sitzungen abgehalten. In Leos Gürtel steckte ein sonderbarer Dorn, der wie ein großer Eiszapfen aussah. Zu seinen Füßen standen ein Rucksack, eine Thermoskanne und eine jener modernen Campinglampen, deren Leuchtdioden mit einem einzigen Batteriesatz Hunderte von Stunden Licht spendeten. Nur drei der weißen LEDs waren eingeschaltet. An der Wand zur Rechten lehnte eine Hellebarde.
    Hubers Traum-Ich kippte in die Horizontale und senkte sich auf Okumus herab, bis seine immaterielle Nase fast gegen die des Lehrers stieß. Um ein Haar hätte sein Rivale ihn in München umgebracht. Jetzt stand er selbst kurz davor, aus dem Leben zu scheiden. Sein Gesicht wirkte angespannt, als wisse er um sein Schicksal. Was er wohl gerade drüben bei der Drusenkammer erlebte?
    »Hast du einen schlechten Traum?«, flüsterte Huber. Er formte aus dem Fels der Decke ein Paar Tropfsteine, die spitz wie Dolche waren. Der langsamer wachsende war für den Jungen bestimmt, der größere zielte auf das Herz des Vertrauenslehrers. Ein Vertrauen, das bitter enttäuscht werden würde, dachte der Wächter von Salem voll Vorfreude und kicherte leise in sich hinein.
    Der Stalaktit hatte die erforderliche Masse erreicht. Sein Gewicht sollte ausreichen, den Schläfer an die Matratze zu nageln. Die Spitze schwebte ungefähr zwei Meter über dessen Brust. Hubers Traum-Ich blieb auf seinem Logenplatz. Die Waffe vermochte ihm nichts anzuhaben. Aus der Nähe konnte er sich am besten an der Überraschung des arroganten Besserwissers weiden, der ihn viel zu lange an der Nase herumgeführt hatte. Sofern der Schnösel überhaupt noch einmal aufwachte.

    Plötzlich riss Okumus die Augen auf.
    »Du bist zu früh!«, zischte Huber.
    »Nein, Sie sind zu spät«, knurrte der Lehrer.
    Unvermittelt erschütterte eine Explosion das Labyrinth. Oder hatte der wachsende Druck das Traumtor freigesprengt? Jedenfalls bebte das Gewölbe. Huber vernahm über sich ein Knacken, das ihm eine tiefe Genugtuung verschaffte.
    Okumus starrte entsetzt zur Decke.
    Soeben war der Tropfstein abgebrochen.

D ie Schlafpastille ließ Benno in den Klartraum gleiten, während Refi Zul grob am Strick zerrte.
    »Komm mit oder ich breche dir das Genick«, drohte der König.
    Benno wich vor ihm zurück, bis das Seil sich zwischen ihnen spannte. »Wohin. Ich denke Sie wollen nach Illúsion?«
    »Das Tor ist wieder frei. Der Rest kann warten, bis der Kampf da drinnen entschieden ist.« Er deutete in die Drusenkammer.
    Dort kämpften die Leibwächter gegen einen unsichtbaren Angreifer. Das von der Decke gefallene Hyänenschwein lag genau auf dem Dolch des Königs. Gerade war ein weiteres von einem Speer niedergestreckt worden, den jemand wie schon den ersten zielgenau durch den Wasserfall geschleudert hatte. Zul befahl den verbliebenen drei Kriegern, das Tor mit ihrem Leben zu verteidigen. Die Traumgeborenen gehorchten. Sie waren zum Gehorchen gemacht.
    Benno wusste, dass er den illúsischen Unhold nicht entkommen lassen durfte. Hektisch suchte er nach etwas, das er zu einer Waffe umformen konnte. An Durs Hubers schwergewichtigen Körper wagte er sich nicht heran. Der Alte war ein besserer Schlafverwandler und wusste sich womöglich zu wehren. Ansonsten war der Tunnel sauber wie geleckt. Beim Dammbruch
hatte das Traumtor gleich einem riesigen Staubsauger alles in sich hineingezogen.
    Auf einmal verhakte sich Bennos Blick in einem Netz. Ein Spinnennetz! Es hing in dem Winkel zwischen Wand und Decke, direkt über dem Eingang zur Drusenkammer. Sagte

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