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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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wenigstens verstopfe, ist er gezwungen, sein Reich wieder sichtbar zu machen. Es käme so wie früher zum freien Fluss der Traumenergie und der Verfall meiner Heimat ließe sich aufhalten oder sogar umkehren.«
    Leo atmete lang aus. Fast hatte es den Anschein, als sorge sie sich um ihn. Das war ein schönes Gefühl. »Kennst du denn überhaupt die Lage sämtlicher Tore?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich weiß aber, dass es nur drei Große Traumtore gibt. Das da« – sie deutete auf den verschütteten
Wasserfall – »sowie eines, das ich bereits vor einigen Monaten zerstört habe, und ein drittes, das Refi Zul verborgen hält.«
    Leo seufzte. »Na prima. Dann ist ja alles ganz leicht.«
    »Der gute Dalmud ist weise. Er wird uns schon helfen…« Orla verstummte jäh, weil es mit einem Mal dunkel wurde. Es schien, als habe jemand ein Loch ins Firmament gestochen und sämtliches Licht fließe rasend schnell heraus. »Mist! Daran habe ich nicht gedacht«, schimpfte sie.
    Perplex starrte Leo zum beinahe noch vollen Mond empor. »Woran hast du nicht gedacht?«
    »Zu beiden Seiten eines Traumtores ist die Tageszeit immer dieselbe.«
    »Du meinst, weil es in Salem Morgen war, ist es hier genauso gewesen?«
    »Ja. Das hätte sich sowieso nach ein paar Kilometern geändert. Aber nun sind wir schlagartig in die pazifische Zeit gerutscht – so ungefähr acht Stunden vor der mitteleuropäischen.«
    »Da du die Quelle verstopft hast.«
    »Richtig.«
    »Na, toll! Und was machen wir jetzt? Eine Nachtwanderung?«
    »Das ist zu gefährlich. Wir sollten uns ein Versteck suchen, oder… Kannst du fliegen?«
    »Du meinst wie vorhin, als ich deine Schlafpastillen eingeworfen hatte?«
    »Hier brauchst du keinen Traum dazu. Sieh her!« Sie erhob sich vor seinen Augen in die Höhe. Ungefähr drei Meter über ihm blieb sie wie an unsichtbaren Fäden vor dem Mond hängen, beschrieb mit der Hellebarde einen Bogen und erklärte: »Überall auf der Welt träumen Menschen vom Fliegen. Oder sie hätten wenigstens davon geträumt, wenn Refi Zul ihnen nicht den Schlaf rauben würde. Deshalb können sich viele Illúsier ohne
Flügel durch die Luft bewegen. Leider bin ich nicht stark genug, dich längere Zeit abzuschleppen …«
    »Mitzuschleppen«, verbessert er sie mürrisch.
    Sie sank wieder zu ihm herab. »Wie auch immer. Für Langstreckenflüge eignet sich diese Methode sowieso nicht – ist zu anstrengend. Um das dritte Große Tor zu finden, brauchen wir ein Transportmittel. Ich könnte eines beschaffen. Dazu benötige ich nur ein Stück Trompetenrohr.«
    »Eine Blockflöte tut’s nicht?«
    »Trompetenrohr ist eine Schilfart, die am Ufer des Chaos wächst, des Süßwasserozeans, in den alle Ströme Illúsions münden.«
    Das Chaos? , dachte Leo. Das konnte ja heiter werden.
     
    Sie waren als Schicksalsgenossen auf die Waldlichtung gekommen und verließen sie am Morgen als Freunde. Weder Leo noch Orla hatte geschlafen. Nebeneinander an einem umgestürzten Baumstamm sitzend waren sie ins Plaudern gekommen. Jeder erzählte dem anderen seine Geschichte. Als die Nacht kühl wurde, rückten sie dichter zusammen und sprachen weiter. Bis zum Sonnenaufgang. Im Nachhinein empfand Leo die Zwangspause als Geschenk, denn nun war das illúsische Mädchen mit den grünen Augen für ihn keine Fremde mehr.
    Als sie ihren Marsch fortsetzten, waberten Dunstschleier über den Boden. Die Farne waren feucht vom Morgentau. Vögel zwitscherten. Die Luft roch aromatisch nach Kiefernnadeln, Harz und moderndem Holz. Leo sah weit optimistischer in den neuen Tag, als er den alten verabschiedet hatte. Bis er plötzlich ein lautes Knacken vernahm. Hinter einem üppig wuchernden Busch in der Nähe war ein Ast gebrochen, dem Klang nach zu urteilen unter dem Gewicht eines gewaltigen Körpers.

    Leo wollte sich dem Kampf nach alter Gewohnheit durch Flucht entziehen, doch für Orla schien Furcht ein Fremdwort zu sein. Sie richtete die Spitze ihrer Hellebarde auf die Stelle und rief: »Wer ist da? Zeig dich, wenn du nicht aufgespießt werden willst.«
    »Ist ja schon guuut«, ertönte es beschwichtigend aus dem Blattwerk. »Bitte keine sinnlosen Aggressionen. Ich kapituliere.« Die quäkende Stimme kam Leo bekannt vor.
    »Der Feuermelder?«, entfuhr es der überraschten Illúsierin.
    »Unmöglich. Der kann sich nicht so gewählt ausdrücken.«
    Das dicht belaubte Astwerk begann zu zittern, geriet alsbald heftig ins Schwanken und spuckte sodann den Rotschopf aus.
    Er

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