Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
erreicht und watete auf Leo zu.
    »Kannst dich bei Mark dafür bedanken«, antwortete er. Fast pausenlos schleuderte er Steine und verwandelte sie in Spieße. Sein rechter Arm war schon ganz taub und er spürte, wie auch sein Geist unter der mentalen Anstrengung erlahmte. »Solange es noch geht, sollten wir durch die Luft fliehen und sie von Benno weglocken.«
    »Meinst du etwa, die könnten wegen ihrer Stummelflügel nicht fliegen? In der Luft sind sie sogar beweglicher als am Boden. Gehen wir weiter in die Mitte des Baches.«
    Er gehorchte widerstrebend. Seine Füße fühlten sich bereits wie Eisklumpen an. »Wozu? Sollen wir wegschwimmen?«
    Die Echsen hatten das Ufer erreicht. Seltsamerweise blieben sie dort stehen. Etliche liefen aufgeregt hin und her.
    »Wir waten in reiner Traumenergie«, erklärte Orla, während sie Leo ins tiefere Wasser zog. Bald reichte es ihnen bis an die
Hüften. »Sie ist für die Traumgeborenen wie die Sonne für dich. Zu viel davon ist schädlich oder kann sie sogar töten. Dieses Federvieh ist besonders traumwasserscheu.«
    Einige Kreaturen eilten zu einer schmaleren Stelle des Quellflusses und setzten mit weiten Sprüngen ans andere Ufer über. Kurz darauf belauerten sie Leo und Orla von beiden Ufern. Eine Federechse beugte sich zu einem runden Stein herab, warf ihn mit dem Maul hoch und fing ihn mit der Krallenhand auf.
    »Das ist nicht gut«, sagte Orla und stellte sich mit der Hellebarde schützend vor ihren Freund.
    Die gefiederte Echse schleuderte den Kiesel. Er flog direkt auf Leo zu und verwandelte sich dabei in etwas Helles, Glitzerndes, offenbar Scharfkantiges.
    Orla wischte das Geschoss mit dem Hellebardenbeil aus der Bahn, wobei es in tausend Splitter zersprang. »Eissterne!«, zischte sie.
    »Die Viecher lernen schnell«, bibberte Leo. Zu allem Übel strich auch noch eine kühle Brise über ihn hinweg und schüttelte die Wipfel des nahen Waldes so heftig, dass die Nadeln herabfielen.
    Die anderen Kreaturen folgten dem Beispiel ihres Artgenossen und hoben ebenfalls Steine auf.
    »Das ist wirklich nicht gut«, knurrte Orla.
    Leo sah sich schon von Hunderten Eiskristallen zu Mus zerschlagen. Der auffrischende Wind fuhr in sein Haar. Über dem Gehölz wirbelte eine dunkle Wolke aus Kiefernnadeln. »Irgendein Vorschlag?«
    »Wenn sie werfen, tauchen wir unter.«
    »Ich bin nicht so gut im Luftanhalten.«
    »Bist du gut im Sterben?«
    Er schluckte.

    Die Leitechse stieß einen zirpenden Laut aus …
    Er blieb ihr im Halse stecken, weil unvermittelt die Nadelwolke durch sie hindurchfuhr. Es war kein schöner Anblick. Auch etliche andere Federechsen wurden durchsiebt. Sie kreischten vor Schmerzen, viele brachen blutüberströmt zusammen.
    Plötzlich tauchte aus dem Wald hinter ihnen ein alter Mann mit weißem Haar und langem Bart auf. Er trug ein schlichtes, wadenlanges Gewand aus naturbelassener Wolle und schwang ein gewaltiges Schwert, während er rasch näherkam.
    »Onkel Dalmud!«, schrie Orla aufgeregt.
    »Benutz den Tropfentrick, Kleine!«, antwortete er.
    Tropfentrick? Leo kam sich vor wie im falschen Traum.
    Der Alte – er musste mindestens siebzig sein – bewegte sich wie ein Zwanzigjähriger. Die von dem Nadelsturm verwirrten und verletzten Federechsen waren einen Moment lang so konsterniert, dass sie keinerlei Widerstand leisteten. Dalmuds Langschwert hielt unter ihnen blutige Ernte. Er fällte die Kreaturen wie reifes Korn. Selbst als sie sich zur Wehr setzten, hatten sie keine Chance gegen seine wirbelnde Klinge.
    Bange sah Leo zum anderen Ufer hinüber. Viele der Echsen dort hatten ihre Steine noch in den Klauen. Sie waren bei dem Nadelschauer vergleichsweise glimpflich davongekommen. Irgendetwas hinderte sie daran, ihre Eissterne einzusetzen. Ihm fiel auf, dass die vorher nur lebhaft gurgelnde Oberfläche des Baches zu sieden schien. Millionen Bläschen tanzten darauf. Es bildeten sich Tropfen, die in der Luft wie die Kohlensäure in einem Glas Mineralwasser nach oben stiegen. Sein Blick kehrte zu Orla zurück.
    Sie hatte die Augen geschlossen.
    Die Federechsen stimmten ein wildes Gezirpe an und holten
zum Wurf aus. In diesem Moment schossen die schwebenden Tropfen auf sie zu. Orla musste sie in Eiskugeln verwandelt haben – offenbar eine Spezialität in dieser Gegend. Die Projektile trieben den Echsen die Mordlust aus. Ebenfalls kein schöner Anblick.
    Mit einem Mal war nur noch das Gurgeln des Baches da. Auf beiden Seiten des Wasserlaufs lagen Dutzende

Weitere Kostenlose Bücher