Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
bemerkenswert schnell und machte gleich seiner Wut auf Mark Luft. Orla rümpfte missbilligend die Nase und meinte, das Urmel aus dem Eis sehe aus wie Rumpelstilzchen, kurz bevor es sich selbst zerreiße. Ein nicht ganz abwegiger Vergleich. Mit hochrotem Kopf wetterte der Gerettete, Schröder sei ihm durchs Traumtor gefolgt und habe den Hinterhalt am Waldrand gelegt. »Sein Versuch euch zu töten ist lediglich deshalb gescheitert, weil ich das Stachelmonster habe erstarren lassen.«
    »Und wie hast du das angestellt?«, wunderte sich Leo. Im Wesentlichen teilte er die Einschätzung seines Freundes.
    »Wenn ich das so genau wüsste!«, erwiderte der Gefragte und kratzte sich den roten Schopf. »Natürlich habe ich gedacht: Bleib stehen, du Ausgeburt der Hölle! Etwas in der Art jedenfalls.«
    »Hast du im Eis die Kälte gespürt?«, erkundigte sich Dalmud.
    Benno überlegte. »Ich glaube nicht.«
    »Dann hat Illúsion eine Facette deines inneren Wesens zum Vorschein gebracht, die sich mit dem nassen Element nicht verträgt.«
    »Sie meinen, ich bin der personifizierte Lotuseffekt?«
    Der Alte sah ihn verständnislos an.
    »Ich bin wasserabweisend geworden?«, versuchte Benno es ein bisschen weniger eloquent.
    »Oder aalglatt«, versetzte Orla mit finsterer Miene. Sie wandte sich dem guten Dalmud zu. Als habe jemand einen Schalter umgelegt, strahlte sie plötzlich übers ganze Gesicht und fiel ihm um den Hals. Er hob sie hoch wie ein Vater, der seine kleine Tochter begrüßt. Für die folgenden Minuten gab es nur noch sie auf der Welt. Die zwei mussten sich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen haben und dementsprechend innig war ihre Umarmung.
    Leo kam sich ziemlich überflüssig vor. Orla sprudelte nur so
über vor Gesprächigkeit, drehte sich aber kein einziges Mal zu ihm um. War sie ihm böse, weil er ihr Misstrauen Benno gegenüber nicht teilte? Oder hatte sie einfach zu viel mit ihrem Ziehvater zu bereden?
    Irgendwann setzte der sie endlich ab und nahm ihre Hände. Er berichtete davon, dass er wieder geheiratet habe; seine Augenweide heiße Angata. Vor Freude fiel ihm das Mädchen erneut um den Hals. Leo beneidete die zwei um ihre Vertrautheit.
    Dalmud machte trotz seines fortgeschrittenen Alters nicht den Eindruck eines hinfälligen Mannes. Allein seine Art zu kämpfen hatte das bewiesen. Er war wohl knapp eins neunzig groß und kräftig gebaut, ohne plump oder gar dick zu wirken. Das dichte, glatte, weiße Haar reichte ihm bis auf die Schultern und der Bart stieß ihm beim Sprechen ständig auf die Brust. Seine Augen hatten eine leichte Mandelform und die Haut einen dunklen Teint. Die Maori, erinnerte sich Leo an eine Fernsehdokumentation über die Ureinwohner Neuseelands, sahen ganz ähnlich aus.
    An den Füßen trug Dalmud Sandalen. Sein schlichtes Wollgewand ließ nicht erahnen, dass er ein in Illúsion weithin geachteter Mann war. Es wurde von einem Strick in der Taille zusammengehalten. Beinahe hätte man ihn für einen Bettelmönch halten können, wenn da nicht das Pektoral auf seiner Brust gewesen wäre. Der aus Holz geschnitzte und mit fremdartigen Schriftzeichen bedeckte Schmuck glich einer liegenden Mondsichel und hing an einem ledernen Band. Man konnte ihn sich auch als Boot vorstellen, dessen vorne und hinten weit hochgezogener Steven mit je einem Tierkopf verziert war.
    »… ist ihm nicht leichtgefallen mitzukommen«, hörte Leo das grünäugige Mädchen sagen. Orla erschien ihm exotischer denn je. Sie deutete auf ihn.

    Der gute Dalmud trat unvermittelt auf ihn zu, nahm seine Rechte in die großen Hände und lächelte. »Vorhin war ich sehr beschäftigt. Das entschuldigt nicht meinen Mangel an Höflichkeit dir gegenüber. Mögen deine Träume licht und friedlich sein, Leo Löwengleich.«
    »Und Ihre auch«, antwortete er. Hoffentlich war das die korrekte Erwiderung auf den Gruß. Bei aller Freundlichkeit umgab Dalmud eine Autorität, die Leo nur ungern herausfordern wollte. Wenngleich sie nicht so einschüchternd wie die von Robert Zaki war, strahlte sie doch viel Majestät und Würde aus.
    »Orla sagte mir, dass du sie an ihren Großvater erinnerst.«
    Benno kicherte.
    Leo blinzelte irritiert. »Sehe ich echt schon so alt aus?«
    Sie lachte. »Ich habe das gesagt, weil Lemiach ein großer Traumwandler war. Du wirst ihn wahrscheinlich noch überflügeln.«
    Er zuckte verlegen mit den Schultern. So erpicht er bei der Schlucht auf ihre Anerkennung gewesen war, so unbedeutend kam er sich jetzt vor,

Weitere Kostenlose Bücher