Das Geheimnis der Wellen
Blickfeld verschwunden waren. Neben ihm ließ Barbie ein Winseln ertönen.
»Du hast gehört, was er gesagt hat: Sie kommen bald wieder.« Eli drehte sich um und musterte Bluff House. »Vorher haben wir viel zu tun. Wir werden herausfinden, wonach dieser Idiot gesucht hat. Wir werden Bluff House gründlich auf den Kopf stellen, einverstanden?«
Barbie wedelte mit dem Schwanz.
»Ich nehme mal an, das heißt Ja. Legen wir los.«
*
Eli begann im obersten Stockwerk.
»Wär ich ein fanatischer Schatzsucher, wonach würde ich dann hier oben suchen?«
Nicht nach dem eigentlichen Schatz. Von Edgar Alan Poes Kurzgeschichte Der entwendete Brief einmal abgesehen, hat ein offen zutage liegendes Versteck seine Grenzen. Dass ein früherer Bewohner eine Truhe voller Juwelen in einem durchgesessenen Sofa oder hinter einem fleckigen Spiegel versteckt hatte, war wenig wahrscheinlich.
Eli lief hin und her, wühlte in Schachteln und Truhen, legte die schützenden Laken wieder über die Möbel. Licht fiel ein, und Staubkörnchen tanzten darin. Weil es im Haus so still war, kam ihm das Meeresrauschen lauter vor als sonst.
Er konnte sich nicht vorstellen, wie es war, mit dem vielen Personal zusammenzuleben, das einst in diesem Labyrinth aus Zimmern geschlafen oder sich dort zum Essen oder Schwatzen versammelt hatte. Unter diesen Umständen konnte man nie allein sein, Stille und ein Privatleben genießen.
Das war der Preis. Wer so ein Haus unterhalten und so einen Lebensstil pflegen wollte wie seine Vorfahren, brauchte eine ganze Armee von Dienstboten. Seine Großeltern hatten einen bescheideneren Lebensstil vorgezogen.
Aber wie dem auch sei, die Tage des Großen Gatsby waren vorbei, zumindest in Bluff House.
Trotzdem war es irgendwie eine Schande, ein ganzes Stockwerk mit alten Möbeln, Bücherkartons und Truhen zu füllen, in denen Kleider zwischen Seidenpapier und Lavendelsäckchen lagen.
»Man könnte ein tolles Künstleratelier daraus machen, was?«, sagte er zu Barbie. »Wenn ich malen könnte … Gran kann das, aber sie müsste zu viele Treppen steigen. Außerdem arbeitet sie am liebsten in ihrem eigenen Zimmer oder auf der Terrasse.«
Er machte eine kurze Pause und ließ die Schultern kreisen. Dann erkundete er den einstigen Wohnbereich der Dienstboten.
»Das Licht ist großartig. Sogar eine kleine Einbauküche gibt es. Würde man die Spüle austauschen, eine Mikrowelle einbauen und das Bad renovieren …« Er warf einen Blick auf die alte Toilette mit Zugkette. »Oder besser ein neues Bad einbauen und ein paar der Möbel verwenden, die hier rumstehen.«
Stirnrunzelnd ging er zur großzügigen Fensterfront. Von dort aus hatte man eine fantastische Aussicht. Vermutlich eher eine architektonische Entscheidung als ein Zugeständnis an die Dienstboten.
Eli ging weiter zum Spitzboden, dachte daran zurück, wie er sich am Tag seiner Ankunft dort umgeschaut hatte.
Er könnte hier oben arbeiten. Die Renovierungsarbeiten wären gar nicht so aufwendig. Er brauchte nicht viel. Man müsste nur einen Schreibtisch aufstellen, ein paar Regale und ein neues Bad einbauen.
»Welcher Schriftsteller wünscht sich keine Mansarde? Ja, vielleicht mache ich das tatsächlich, wenn Gran wieder da ist. Ich werde drüber nachdenken.«
Deswegen war er nicht gekommen, fiel Eli wieder ein, also machte er einen zweiten Rundgang. Er stellte sich vor, wie Hausmädchen bei Tagesanbruch aus ihren Messingbetten kletterten, mit nackten Füßen den Boden berührten. Wie der Butler sein gestärktes weißes Hemd anzog und die Hausdame ihre Aufgabenliste konsultierte.
Die oberen Stockwerke waren eine Welt für sich gewesen. Eine, von der die Familie vermutlich nur wenig gewusst hatte. Soweit er das beurteilen konnte, gab es hier nichts, was einen Einbruch oder Angriff auf eine alte Frau rechtfertigen würde.
Eli ging zurück in die große Halle und musterte den alten Kleiderschrank vor der aus seiner Sicht scheußlichen Blümchentapete. Bei näherer Betrachtung entdeckte er keine Anzeichen dafür, dass er in den letzten Jahren verschoben worden war.
Neugierig versuchte er, ihn zur Seite zu wuchten, stemmte sich mit dem Rücken dagegen. Der Schrank bewegte sich nur um wenige Zentimeter. Eli versuchte, in den schmalen Raum dahinter zu fassen, seinen Arm hindurchzuschieben.
Nicht nur ein ungezogener Junge würde es niemals schaffen, ihn aus dem Weg zu räumen, auch ein erwachsener Mann stieß dabei an seine Grenzen. Zumindest, wenn er allein
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