Das Geheimnis der Wellen
hellwach und glaubte, dass ich mir das alles bloß eingebildet hätte. Trotzdem war ich nervös und habe mich letztlich dazu durchgerungen, nach unten zu gehen, um mir einen Tee zu machen.«
»Gab es irgendwelche Gerüche?«, fragte Abra.
»Staub. Schweiß. Jawohl.« Hester schloss die Augen, konzentrierte sich. »Seltsam, dass mir das erst wieder einfällt, wo ihr mich danach fragt.«
»Wenn er aus dem dritten Stock gekommen ist – gibt es dort irgendetwas, nach dem er gesucht haben könnte?«
Hester sah Eli kopfschüttelnd an. »Das meiste sind senti mentale Erinnerungsstücke, Dinge, die nicht mehr zu gebrau chen sind. Es sind wunderschöne Sachen darunter, Kleider, Andenken, Tagebücher, alte Haushaltsbücher, Fotos.«
»Ich habe mir die Sachen angesehen.«
»Irgendwann möchte ich Experten hinzuziehen. Vielleicht könnte man ein Museum damit gründen.«
»Was für eine wunderbare Idee.« Abra strahlte. »Davon hast du mir nie etwas erzählt.«
»Die Idee ist ziemlich neu.«
»Haushaltsbücher«, überlegte Eli laut.
»Ja, und Geschäftsbücher, Gästelisten, Kopien von Einladungen. Ich habe die Sachen schon ewig nicht mehr angeschaut, sie längst noch nicht alle gesichtet. Dinge ändern sich, Zeiten ändern sich. Dein Großvater und ich haben nicht mehr so viel Personal gebraucht, nachdem die Kinder aus dem Haus waren. Also haben wir den dritten Stock zum Lagerraum gemacht. Ein, zwei Jahre lang habe ich versucht, dort oben zu malen. Als Eli starb, blieben nur noch Bertie und Edna bei uns. An die müsstest du dich eigentlich erinnern können, Eli junior.«
»Ja, das tue ich.«
»Als sie in Rente gingen, wollte ich niemand mehr einstellen. Schließlich musste ich mich nur um mich selbst und das Haus kümmern. Ich kann mir nur vorstellen, dass dieser Mensch aus reiner Neugier da oben war. Oder er hat gehofft, irgendetwas zu finden.«
»Gibt es dort Dinge aus der Zeit, als die Calypso sank?«
»Bestimmt. Die Landons hatten schon immer einen Samm lertick. Die wertvolleren Sachen aus dieser Zeit sind wie viele andere im ganzen Haus verteilt. Aber im dritten Stock gibt es bestimmt ein paar Überbleibsel.«
Nachdenklich runzelte Hester die Stirn.
»Ich fürchte, ich habe das Stockwerk völlig vernachlässigt. Ich bin einfach nicht mehr hinaufgegangen, habe mir eingeredet, dass ich irgendwann Experten hinzuziehen würde. Vielleicht denkt er, dass da oben Karten liegen, aber das ist Blödsinn. Wüssten wir, wo der Schatz liegt, hätten wir ihn längst selbst gehoben. Oder aber er denkt, es gibt dort Tagebücher. Von Violeta Landon vielleicht. Die Legende sagt, dass sie alle Tagebücher, Liebesbriefe und so weiter zerstört hat, nachdem ihr Bruder ihren Liebhaber getötet hat. Falls sie jemals existiert haben. Wären welche übrig geblieben, hätte ich bestimmt davon gehört oder wäre irgendwann darauf gestoßen.«
»Gut. Kannst du dich an Anrufe oder Fragen erinnern? Daran, dass jemand Erinnerungsstücke an- und wieder verkaufen wollte? Oder hat jemand um Zutritt gebeten, weil er für eine Geschichte, ein Buch recherchieren wollte?«
»Meine Güte, Eli, das ist x-mal vorgekommen. Wenn ich mir überlegt habe, neben Abra noch jemanden einzustellen, dann nur, damit er sich um diese ständigen Anfragen kümmert.«
»Aber etwas Ungewöhnliches ist dir nicht aufgefallen?«
»Nicht, dass ich wüsste.«
»Sag mir Bescheid, wenn dir doch etwas einfällt.«
Jetzt ist es genug, dachte Eli. Sie sah wieder blass aus.
»Was gibt’s zum Mittagessen?«
»Wir sollten hinuntergehen und nachsehen.«
Er half ihr auf, aber als er sie hochheben wollte, stieß sie ihn von sich. »Ich muss nicht getragen werden. Mit dem Stock schaffe ich es sehr gut allein.«
»Kann sein, aber ich mache gern einen auf Rhett Butler.«
»Der hat aber nicht seine Großmutter zum Mittagessen die Treppe hinuntergetragen«, wandte sie ein, als Eli sie einfach auf die Arme nahm.
»Nein, aber genau das hätte er getan.«
Abra nahm den Stock und sah zu, wie Eli Hester nach un ten trug. Sie wusste genau, warum sie sich in ihn verliebt hatte.
27
Heute ist ein guter Tag, dachte Abra, als sie sich von Hester verabschiedeten. Sie griff nach Elis Hand und wollte etwas Entsprechendes sagen, als sie Wolfe auf der gegenüberliegenden Straßenseite entdeckte.
»Was macht der denn da?«, fragte sie. »Glaubt er etwa, du rennst zu ihm und legst ein Geständnis ab?«
»Er lässt mich wissen, dass er mich im Auge behält.« Eli setzte sich hinters
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