Das Geheimnis der Wellen
die Wurzeln kommt es an. Ich erwarte von dir, dass du dich auf deine besinnst. Du bist ein Landon, und über mich auch ein Hawkin. Wir lassen uns nicht unterkriegen, zumindest nicht lang. Du kümmerst dich jetzt an meiner Stelle um Bluff House.«
»Das werde ich.«
»Und vergiss nicht: Manchmal ist ein Pfannkuchen einfach nur ein Pfannkuchen.«
Sie brachte ihn zum Lachen. Ein Lachen, das vielleicht etwas eingerostet war, aber immerhin ein Lachen. »Gut, Gran. Benutz den Rollator.«
»Ich benutze diesen verdammten Rollator – noch!«
»Na gut. Schau in deine Mails, ich habe Fotos geschickt. Ich ruf in ein paar Tagen wieder an.«
Er kam an Läden vorbei, an die er sich noch erinnerte, wie die Eisdiele und die Pizzeria. Dazwischen gab es ein paar neue Geschäfte wie den Surfshop mit seinen rosa Schin deln. Außerdem passierte er die Methodistenkirche mit ihrer weißen Turmspitze, den schlichten Bau der Unitarier, das vornehme North-Shore-Hotel und viele charmante Pensionen, die die Touristen in der Hochsaison willkommen heißen würden.
Es herrschte etwas Verkehr, der jedoch nachließ, als er den Rückweg antrat.
Vielleicht würde er am nächsten schönen Nachmittag erneut ins Dorf gehen, ein paar Postkarten kaufen und sie seinen Eltern und den wenigen Freunden schicken, die ihm noch geblieben waren.
Schaden würde das bestimmt nicht.
Es konnte auch nicht schaden, sich in den Geschäften umzusehen, sich wieder mit der Gegend vertraut zu machen.
Zu den eigenen Wurzeln zurückzukehren.
Doch im Moment war er einfach nur müde und durchgefroren und wollte nach Hause.
Sein Auto stand verwaist in der Auffahrt, und sofort war er erleichtert. Er hatte also lang genug herumgetrödelt, um Abra nicht mehr anzutreffen.
Als er seine Klamotten auszog, stellte er fest, dass seine Schulter fast wieder in Ordnung war. Zumindest einigermaßen. Er konnte Abra eine SMS schicken, ihr schreiben, dass der Spaziergang seine Verspannungen beseitigt hatte.
Nur leider hatte er seiner Großmutter etwas verspro chen. Ein Versprechen, dessen Einlösung er jedoch gut und gern um ein paar Tage hinausschieben konnte. Darüber konnte er sich später Gedanken machen. Er war schließ lich Anwalt – wenn auch kein praktizierender. Außerdem war er Schriftsteller. Er konnte sich sehr gut verständlich machen.
Er betrat die Küche und entdeckte die Haftnotiz auf der Theke.
Im Gefrierschrank steht Hühnchen mit Kartoffelauflauf. Das Kaminholz ist nachgefüllt.
Essen Sie einen Apfel und vergessen Sie nicht, nach Ihrem Spaziergang genug zu trinken. Wir sehen uns gegen halb sechs.
Abra
Was sollte das? Sie war schließlich nicht seine Mutter! Was, wenn er gar keinen Apfel wollte?
Dass er sich Wasser aus dem Kühlschrank nahm, lag nur daran, dass er wirklich Durst hatte. Er wollte nicht, dass ihm jemand sagte, wann er essen und etwas trinken sollte. Als Nächstes würde sie ihn ermahnen, Zahnseide zu benutzen und sich hinter den Ohren zu waschen.
Er würde nach oben gehen, ein paar Recherchen machen und dann diese SMS formulieren.
Bevor er ging, nahm er fluchend einen Apfel aus der Bambusschale, denn plötzlich hatte er doch Lust darauf, verdammt!
Er wusste, dass er übertrieben gereizt war. Sie meinte es gut, aber er wollte in Ruhe gelassen werden. Er brauchte Zeit für sich, um wieder auf die Beine zu kommen, und keine noch so gut gemeinte Hilfe.
Davon hatte es anfangs mehr als genug gegeben. Später wurde das weniger. Freunde, Kollegen und Nachbarn waren merklich auf Distanz zu einem Mann gegangen, der verdächtigt wurde, seine Frau ermordet und ihr den Schädel eingeschlagen zu haben. Weil sie ihn betrogen hatte oder weil ihn eine Scheidung teuer zu stehen gekommen wäre.
Vielleicht auch wegen beidem.
Er hatte nicht vor, je wieder solche Hilfe anzunehmen.
Auf Strümpfen ging er immer noch völlig durchgefroren von dem langen Spaziergang in sein Zimmer, um sich Schuhe anzuziehen.
Er erstarrte, den Apfel im Mund, und sah stirnrunzelnd aufs Bett. Schon zum zweiten Mal an diesem Tag musste er laut lachen. Ein echter Rekord.
Sie hatte ein Handtuch so gefaltet, dass da ein seltsamer Vogel auf der Bettdecke saß. Er trug eine Sonnenbrille, hinter der eine kleine Blume steckte.
Wie albern, dachte er. Aber irgendwie süß.
Er ließ sich auf die Bettkante sinken und nickte dem Vogel zu. »Ich glaube, ich werde mir eine Massage gönnen.«
Dann überließ er den Vogel sich selbst und ging ins Arbeitszimmer.
Er würde recherchieren,
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