Das Geheimnis der Wellen
eigentlich auch, aber es gibt viele Faktoren, die die Leute bei ihrer Entscheidung beeinflussen. Vielleicht wurde er ihnen von Freunden, Geschäftspartnern oder Verwandten empfohlen.«
»Nun, wenn sie ihn nicht beauftragt haben, wüsste ich nicht, wer es sonst getan haben sollte.«
»Die Anwältin der Piedmonts bestätigt nichts, streitet aber auch nichts ab«, verkündete Neal. »Noch ist sie nicht verpflichtet, uns diese Information zu geben. Duncan war Bulle. Gut möglich, dass Wolfe und er sich kennen und dass Wolfe bereit war, Geld auszugeben. Aber wenn dem so ist, wird er es mir nicht verraten.«
»Aus meiner Sicht sieht ihm das gar nicht ähnlich … aber unabhängig vom Auftraggeber können wir Duncan leider nicht daran hindern, die Einwohner von Whiskey Beach zu befragen. Was er da tut, ist völlig legal.«
»Aber genauso wenig bist du gezwungen, mit ihm zu reden. Unsere Detektivin darf ebenfalls Fragen über ihn stellen und Informationen einholen. Vielleicht sollten wir durchsickern lassen, dass wir jemanden genau dafür engagiert haben.«
»Ja«, pflichtete Eli ihm bei. »Es wird Zeit, dass wir ihnen ein bisschen Feuer unterm Hintern machen.«
»Bisher versuchen die Piedmonts nur, Unruhe zu stiften, Zweifel an deiner Unschuld zu wecken. So sorgen sie dafür, dass die Medien weiterhin über den Mord an ihrer Tochter berichten und das öffentliche Interesse daran nicht verebbt. Es hat ja bereits stark nachgelassen. Der willkommene Nebeneffekt ist, dass sie dir das Leben zur Hölle machen. So ge sehen kann es durchaus sein, dass sie die Idee mit dem Privat detektiv hatten.«
»Sie wollen mich fertigmachen.«
»Ehrlich gesagt, ja.«
»Das sollen sie ruhig versuchen. Schlimmer als damals, als ich rund um die Uhr belagert wurde, kann es nicht werden. Und auch das habe ich überstanden.« Eli war fest entschlossen. Er würde das alles nicht noch einmal einfach über sich ergehen lassen, sondern dagegenhalten. »Diesmal werde ich nicht stillhalten, während sie auf mich losgehen, diesmal nicht! Sie haben ihre Tochter verloren, und das tut mir leid. Aber deswegen brauchen sie mich noch lang nicht zu ruinieren.«
»Sollte die Anwältin der Piedmonts also eine finanzielle Entschädigung vorschlagen, was sie irgendwann bestimmt tun wird, sagen wir Nein.«
»Allerdings.«
»Es geht dir wirklich besser.«
»Ich habe den Großteil des letzten Jahres wie in Trance verbracht. Ich stand unter Schock, hatte ein schlechtes Gewissen, Angst. Ich war wie benebelt. Jedes Mal, wenn der Wind sich gedreht und für etwas Klarheit gesorgt hat, dachte ich, das ist die nächste Falle. Heute sehe ich immer noch nicht klar und habe weiß Gott Angst, erneut Sand in die Augen gestreut zu bekommen. Aber im Moment bin ich bereit, etwas zu riskieren. Hauptsache, ich komme irgendwann aus der Sache raus und kann endlich wieder frei durchatmen.«
»Gut.« Neal ließ einen silbernen Montblanc-Füller über seinem Block schweben. »Überlegen wir uns eine Strategie.«
*
Nachdem Eli Neals Kanzlei verlassen hatte, lief er quer durch den Park. Er überlegte, wie es sich anfühlte, wieder in Boston zu sein, und sei es auch nur für einen Tag. Er wusste nicht recht, wie er diese Frage beantworten sollte. Alles war ihm vertraut, und das war tröstlich. Er schöpfte neue Hoffnung, und die ersten grünen Triebe sprossen aus dem Winterboden, der Frühlingssonne entgegen.
Die Leute stemmten sich gegen den weniger starken Wind, verbrachten ihre Mittagspause auf den Parkbänken, gingen wie er spazieren oder durchquerten rasch den Park.
Er hatte gern hier gelebt, das wusste er noch.
Er hatte zu Fuß zur Kanzlei gehen können, in der er Mandanten empfing und beriet, so, wie Neal es gerade mit ihm getan hatte.
Er wusste, wo es den besten Kaffee gab, die besten Snacks oder das beste Mittagessen. Er kannte seine Lieblingsbars, seinen Schneider und den Juwelier, bei dem er oft für Lindsay eingekauft hatte.
Aber all das gehörte nicht mehr zu ihm. Während er stehen blieb, die hellgrünen Narzissen betrachtete, die es kaum erwarten konnten aufzublühen, wurde ihm auf einmal bewusst, dass er das nicht bedauerte. Nicht mehr so wie früher.
Er würde sich einen neuen Friseur suchen, der ihm die Haare ein bisschen kürzte. Und er würde seiner Großmutter Tulpen kaufen. Bevor er nach Whiskey Beach zurückkehrte, würde er seine restliche Habe und seine Sportklamotten einpacken. Er meinte es ernst. Er wollte sich die Bereiche seines Lebens
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