Das Geheimnis der Wellen
Stattdessen wischte sie Staub, saugte und füllte seinen Limonadenvorrat nach. Sie schrieb die neue Botschaft, die Hester ihr diktiert hatte, auf eine Haftnotiz und klebte sie an eine der Flaschen. Nachdem sie den Ledersessel abgewischt hatte, bewunderte sie kurz die Aussicht.
Nicht schlecht, dachte sie.
Wind und Sonne hatten den Schnee beinahe zum Verschwin den gebracht. Heute war das Meer knallblau, und der Strand hafer wiegte sich im Wind. Sie sah zu, wie ein blassrotes Fischerboot übers Wasser tuckerte.
Ob er sich in Bluff House inzwischen heimisch fühlte? Bei dieser Aussicht, dieser Luft, diesen Geräuschen und Düften? Wann hatte sie angefangen, sich heimisch zu fühlen?
Sie konnte sich kaum noch daran erinnern. Vielleicht, als Maureen das erste Mal mit einer Platte Brownies und einer Flasche Wein bei ihr vorbeigeschaut hatte. Oder als sie das erste Mal am Strand entlanggegangen war und gespürt hatte, wie ihre Seele endlich Frieden fand.
Genau wie Eli hatte auch sie sich hierhergeflüchtet. Aber sie hatte eine Wahl gehabt, sich ganz bewusst für Whiskey Beach entschieden.
Eine richtige Entscheidung, wie sie heute wusste.
Gedankenverloren fuhr sie mit ihrem Finger über ihre linke Seite, über die dünne Narbe, die ihren Brustkorb entstellte. Inzwischen dachte sie nur noch selten an das, wovor sie geflohen war.
Aber Eli hatte es ihr wieder ins Gedächtnis gerufen, und vielleicht war das ein Grund, warum sie sich verpflichtet fühlte, ihm zu helfen.
Doch es gab noch viele andere Gründe, vor allem das Lächeln, das sich auf seinem Gesicht ausgebreitet hatte, als er Maureen wiedererkannt hatte.
Das ist mein neues Ziel, beschloss sie. Eli Landon ganz oft zum Lächeln zu bringen.
Aber jetzt musste seine Unterwäsche in den Trockner.
*
Eli hatte kaum im Wartebereich von Neal Simpsons Kanzlei Platz genommen, als Neal höchstpersönlich auf ihn zukam, um ihn zu begrüßen.
»Eli.« Neal, der in seinem eleganten Anzug eine perfekte Figur machte, hatte einen angenehm festen Händedruck. »Schön, dich zu sehen. Am besten, wir gehen gleich in mein Büro.«
Flott durchmaß er das elegant eingerichtete Labyrinth der Büroräume von Gardner, Kopek, Wright und Simpson: ein selbstbewusster Mann und exzellenter Anwalt, der schon mit neununddreißig Partner geworden war und dessen Name auf dem Briefkopf einer der besten Kanzleien der Stadt prangte.
Eli vertraute ihm. Was blieb ihm anderes übrig? Obwohl sie in verschiedenen Kanzleien gearbeitet und oft dieselben Mandanten umworben hatten, waren sie in denselben Krei sen unterwegs gewesen und hatten gemeinsame Freunde gehabt.
Alles Geschichte, dachte Eli, da nach dem medialen Dauer beschuss sein Freundeskreis nach und nach weggebrochen war.
In seinem Büro mit dem atemberaubenden Blick auf den winterlichen Park ignorierte Neal den imposanten Schreib tisch und bedeutete Eli stumm, in einem der Ledersessel Platz zu nehmen.
»Lassen wir es langsam angehen«, sagte Neal, als seine attraktive Assistentin mit schaumigen Cappuccinos hereinkam. »Danke, Rosalie.«
»Kein Problem. Kann ich Ihnen noch etwas bringen?«
»Wenn ja, gebe ich Ihnen Bescheid.«
Neal lehnte sich zurück und musterte Eli, während seine Assistentin den Raum verließ und die Tür hinter sich zu machte. »Du siehst besser aus.«
»Ich weiß.«
»Wie läuft die Arbeit an deinem Buch?«
»Mal so, mal so. Aber insgesamt mache ich gute Fortschritte.«
»Und deine Großmutter? Erholt sie sich von ihrem Unfall?«
»Ja. Ich werde sie gleich im Anschluss besuchen. Du musst das nicht machen, Neal.«
Mit zusammengekniffenen Augen griff Neal zum Kaffeebecher und lehnte sich damit zurück. »Was denn?«
»Small Talk, damit der Mandant sich entspannt.«
Neal kostete von seinem Kaffee.
»Wir waren uns schon sympathisch, bevor du mich beauftragt hast. Aber du hast mich nicht beauftragt, weil wir uns sympathisch sind. Zumindest nicht nur. Als ich dich gefragt habe, warum du ausgerechnet zu mir gekommen bist, hast du gute Gründe vorgebracht. Unter anderem den, dass wir eine ähnliche Rechtsauffassung und Arbeitsweise haben. Wir verteidigen den ganzen Mandanten. Ich will wissen, wie es dir geht, Eli. Das hilft mir, dich zu beraten und dir zu sagen, was du tun oder lieber lassen solltest.«
»Du willst wissen, wie es mir geht? Es ist ein ewiges Auf und Ab. Im Moment bin ich zwar nicht gerade optimistisch, aber etwas mehr in Angriffslaune. Ich bin die Sache leid, Neal. Ich bin es leid, dem
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