Das Geheimnis der Wellen
kam mit quietschenden Bremsen vor Maureens Haus zum Stehen.
Licht. Menschen. Sicherheit.
Sie rannte zur Tür, drückte sie auf und blieb erst stehen, als sie ihre Freunde zusammengekuschelt vor dem Fern seher sah.
Beide sprangen sofort auf.
»Abra!«
»Polizei.« Der Raum begann sich erneut zu drehen. »Ruft die Polizei.«
»Du bist verletzt! Du blutest!« Maureen stürzte bereits auf sie zu, während Mike zum Telefon griff.
»Ja? Nein.« Schwankend sah sie an sich herunter, während Maureen sie packte. Sie entdeckte Blut an ihrer Kapuze, am Saum ihres Schlafanzugoberteils.
Nicht von dem Messer, nein, diesmal nicht. Es war nicht ihr Blut.
»Nein, das ist nicht meines, sondern seines.«
»O Gott, hattest du einen Unfall? Komm, setz dich.«
Nein, nein! Nicht mein Blut, dachte sie erneut. Sie war davongekommen, in Sicherheit. Der Raum hörte auf, sich zu drehen.
»Jemand war in Bluff House. Sagt der Polizei, dass jemand in Bluff House war. Er hat mich von hinten gepackt.« Ihre Hand wanderte an ihre Kehle. »Er hat mich gewürgt.«
»Er hat dich verletzt, das sehe ich. Setz dich, los! Mike?«
»Die Polizei ist schon unterwegs. Hier.« Er hüllte Abra in eine Decke, während Maureen sie zu einem Sessel führte. »Alles wird gut. Du bist in Sicherheit.«
»Ich hole dir ein Glas Wasser. Mike bleibt bei dir«, sagte Maureen.
Er kniete sich vor sie.
Was für ein sympathisches Gesicht, dachte Abra, während sie nach Atem rang. Ein freundliches Gesicht mit dunklen Hundeaugen.
»Der Strom ist ausgefallen«, sagte sie wie in Trance. »Es war dunkel. Er hat mir im Dunkeln aufgelauert. Ich habe ihn nicht gesehen.«
»Alles wird gut. Die Polizei ist bereits unterwegs, und du bist unverletzt.«
Abra nickte, starrte in diese Hundeaugen. »Es geht mir gut.«
»Hat er dir wehgetan?«
»Er … Er hat mich in den Würgegriff genommen, mir den Arm um die Kehle gelegt. Auch um meine Taille, glaube ich. Ich bekam keine Luft mehr, und mir wurde schwindelig.«
»Schätzchen, an dir klebt Blut. Darf ich mal gucken?«
»Das ist von ihm. Ich habe ihm unter anderem eins auf die Nase gegeben.«
»Ah, die Grundregeln der Selbstverteidigung.« Maureen kam mit einem Glas Wasser in der einen und einem Glas Whiskey in der anderen Hand herein. »Abra, du bist die Größte.«
»Ich habe gar nicht nachgedacht, sondern einfach nur gehandelt. Er muss Nasenbluten bekommen haben oder so. Ich konnte mich befreien und bin geflohen – und mir ist ein wenig schlecht.«
»Trink etwas Wasser. Langsam.«
»Wie dem auch sei, ich muss Eli anrufen. Er muss Bescheid wissen.«
»Ich erledige das«, sagte Mike. »Gib mir einfach die Nummer, dann mache ich das.«
Abra trank, atmete, trank erneut. »Sie ist in meinem Handy eingespeichert. Aber das habe ich nicht dabei. Es liegt zu Hause.«
»Ich hole es. Ich mach das schon.«
»Ich habe nicht zugelassen, dass er mir wehtut. Diesmal nicht.« Abra schlug eine Hand vor den Mund, und Tränen liefen ihr übers Gesicht. »Diesmal nicht.«
Maureen setzte sich neben sie, nahm Abra in die Arme und wiegte sie hin und her.
»Tut mir leid. Tut mir leid.«
»Pst. Alles in Ordnung?«
»Es geht mir gut.« Aber Abra klammerte sich an sie. »Ich sollte einen Freudentanz aufführen. Ich bin nicht zusammengebrochen. Ich habe alles richtig gemacht. Er hat mir nicht wehgetan. Ich habe nicht zugelassen, dass er mir wehtut. Es kommt bloß alles wieder hoch.«
»Ich weiß.«
Abra lehnte sich zurück, wischte sich die Tränen ab. »Trotz dem, ich konnte mit der Situation umgehen. Um Himmels willen, Maureen. Jemand ist in Bluff House eingebrochen. Keine Ahnung, wo er war und was er da wollte. Mir ist nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Ich bin nur in den Fitnessraum und in die Küche gegangen. Fast hätte ich im Keller nach dem Generator geschaut, aber … Vielleicht war er da unten. Er muss den Strom abgeschaltet haben, um ins Haus zu kommen. Der Strom war weg.«
»Trink das.« Maureen drückte ihr den Whiskey in die Hand. »Langsam, Schluck für Schluck.«
»Es geht mir gut.« Abra nippte an dem Whiskey und japste, als er ihr in der Kehle brannte. »Es begann zu gewittern, und ich wusste nicht mehr, ob ich alle Fenster geschlossen hatte. Das ließ mir keine Ruhe, also musste ich rüberfahren. Ich habe ihn nicht gesehen, Maureen, und auch nicht gehört. Nicht bei dem Regen und dem Wind.«
»Er musste dafür bluten.«
Schon etwas beruhigter, sah Abra an sich herunter. »Er musste dafür bluten.
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