Das Geheimnis der Wellen
zu haben. Sie saß in ihrem Lieblingsohrensessel und plauderte, wie wenn nichts gewesen wäre.
Das lag sicherlich auch an der knapp dreijährigen Selina, die den Raum mit ihrer Energie und Lebensfreude füllte.
Sie wollte, dass er mit ihr spielte. Eli setzte sich also auf den Boden und half ihr, aus Bauklötzen ein Schloss für ihre Prinzessinnenpuppe zu bauen.
Etwas so Simples, Selbstverständliches, dass er daran den ken musste, wie er einst von eigenen Kindern geträumt hatte.
Seine Eltern sahen weniger mitgenommen aus als noch vor wenigen Wochen, zum Zeitpunkt seines Aufbruchs nach Whiskey Beach. Die extremen Belastungen, denen sie ausgesetzt gewesen waren, hatten die Falten im Gesicht seines Vaters vertieft und seiner Mutter eine fast durchsichtige Blässe verliehen.
Aber sie hatten sich nicht unterkriegen lassen.
»Ich werde den kleinen Wildfang füttern.« Elis Schwester drückte die Hand ihres Mannes und erhob sich. »Na, Onkel Eli, willst du mir nicht dabei helfen?«
»Ach so, ja … klar.«
Da Selina, die Puppe noch in der Hand, die Arme nach ihm ausstreckte und ihn unwiderstehlich anlächelte, nahm er sie hoch und trug sie in die Küche.
Dort herrschte die breitschultrige Alice über den riesigen Sechsflammenherd. »Sie hat Hunger, nicht wahr?«
Selina löste sich sofort von Eli und streckte die Arme nach der Köchin aus.
»Das ist ja meine Prinzessin. Ich nehme sie schon«, sagte sie zu Elis Schwester Tricia und setzte sich Selina geschickt auf die Hüfte. »Sie kann mit mir essen und mir Gesellschaft leisten. Carmel kommt bestimmt auch, wenn ich ihr sage, dass wir auf die Kleine aufpassen dürfen. Die weniger Privilegierten werden in etwa vierzig Minuten im Esszimmer speisen.«
»Danke. Sollte sie Schwierigkeiten machen …«
»Schwierigkeiten?« Mit weit aufgerissenen Augen legte Alice gespieltes Entsetzen in ihre Stimme. »Schauen Sie sich nur dieses Gesicht an.«
Lachend schlang Selina die Arme um den Hals der Köchin und flüsterte: »Hast du Kekse?«
»Nach dem Essen«, gab Alice flüsternd zurück. »Alles bestens.« Sie scheuchte die beiden Erwachsenen nach draußen. »Entspannen Sie sich.«
»Sei schön brav«, ermahnte Tricia ihre Tochter und ergriff die Hand ihres Bruders. Mit ihren fast eins achtzig und ihrem durchtrainierten Körper zog sie ihn mühelos mit sich fort und steuerte die Bibliothek an. »Ich möchte kurz mit dir allein sprechen.«
»Das habe ich mir gedacht. Es geht mir gut. Alles ist bestens.«
»Hör auf damit.«
Im Gegensatz zu ihrer sanften, diplomatischen Mutter hatte Tricia viel von ihrem willensstarken Großvater geerbt. Nicht umsonst war sie Geschäftsführerin von Landon Whiskey.
»Wir achten alle sorgfältig darauf, nicht über das zu sprechen, was passiert ist und was noch alles passieren wird. Das ist ja schön und gut, aber nun sind wir unter uns und können ohne den Umweg über sorgfältig redigierte E-Mails miteinander kommunizieren. Wie geht es dir wirklich, Eli?«
»Ich schreibe eifrig. Ich mache Strandspaziergänge. Ich esse regelmäßig, weil Grans Haushälterin mich bekocht.«
»Abra? Sie ist toll, nicht wahr?«
»Nein. Sie ist interessant.«
Amüsiert ließ sich Tricia auf die Armlehne eines breiten Ledersessels sinken. »Das auch. All das freut mich sehr, Eli, denn genau so sollte es sein. Aber wenn alles so gut läuft, warum bist du dann wieder in Boston?«
»Darf ich meine Familie etwa nicht besuchen? Bin ich in Acht und Bann?«
Auch die Art, wie sie den Zeigefinger auf ihn richtete, erinnerte ihn an seinen Großvater.
»Weich mir nicht aus. Du wolltest nicht vor Ostern zurückkommen, und trotzdem bist du da. Also raus mit der Sprache!«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich wollte persönlich mit Neal sprechen.« Er sah zur Tür. »Hör zu, ich will Mom und Dad auf keinen Fall beunruhigen. Aber die Piedmonts machen Anstalten, mich wegen fahrlässiger Tötung zu verklagen.«
»So ein Unsinn! Zum jetzigen Zeitpunkt ist das die reine Schikane. Du solltest mit Neal reden«, sagte sie und atmete hörbar aus. »Aber das hast du ja bereits gemacht. Und, was sagt er dazu?«
»Er hält das für einen Einschüchterungsversuch, zumindest vorerst. Ich habe ihn gebeten, einen neuen Detektiv zu beauftragen. Diesmal will ich eine Frau.«
»So langsam wirst du wieder der Alte«, bemerkte Tricia, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Hör auf, Tricia, ich bitte dich.«
»Das liegt nicht an dir, zumindest nicht nur. Das sind die
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