Das Geheimnis der Wellen
lockerlassen?«
»So sehe ich das eigentlich nicht.« Er rückte ihr auf die Pelle. Interessant! Auch wenn er das bestimmt nicht beabsichtigte, fand sie es sexy. »Schade, dass du das so empfindest. Ich fände es schön, wenn du ganz normal unter Leute gehen würdest. Ganz einfach, weil dir das guttäte. Außerdem würde ich mich freuen, dich zu sehen. Und vielleicht willst du mich ja doch mal im kurzen Rock erleben, damit du endlich weißt, ob du an mir interessiert bist oder nicht.«
Er kam noch näher, aber anstatt Abwehr oder Unbehagen auszulösen, was er vermutlich anstrebte, weckte er Lust.
»Du drückst Knöpfe, die du lieber nicht drücken solltest.«
»Wer kann so einem Knopf widerstehen, wenn man ihn direkt vor der Nase hat?«, erwiderte sie. »Ich kann diese Selbstverleugnung einfach nicht begreifen. Warum soll ich nicht herausfinden wollen, ob du mich anziehend findest, bevor ich zulasse, dass ich mich richtig zu dir hingezogen fühle? Ich finde das bloß fair.«
In ihm arbeitete es, merkte sie. Da braute sich ein regelrechter Tornado zusammen.
In der Hoffnung, ihn zu beruhigen, legte sie eine Hand auf seinen Arm. »Ich habe keine Angst vor dir, Eli.«
»Du kennst mich nicht.«
»Einerseits möchte ich dich gern richtig kennenlernen, bevor ich mich verliebe. Andererseits muss ich das gar nicht, um zu wissen, wer du bist. Oder um mich zu dir hingezogen zu fühlen. Ich glaube nicht, dass du ein lieber, harmloser Teddybär bist, aber du bist auch kein kaltblütiger Killer. Hinter deiner Niedergeschlagenheit verbirgt sich viel Wut, aber das kann ich dir kaum vorwerfen. Im Gegenteil, ich verstehe das sehr gut.«
Er wich zurück, steckte die Hände in die Hosentaschen. Die reinste Selbstverleugnung! Schließlich spürte sie ohne hin, wann ein Mann sie berühren wollte. Und das woll te er.
»Ich bin nicht scharf darauf, mich zu dir hingezogen zu fühlen oder etwas mit dir oder überhaupt jemandem anzufangen.«
»Glaub mir, das ist mir nicht entgangen. Mir ging es ganz genauso, bevor ich dich kennengelernt habe. Deshalb habe ich eine Sexdiät gemacht.«
Er zog die Brauen hoch. »Du hast was gemacht?«
»Eine Sexdiät. Enthaltsam gelebt. Vielleicht fühle ich mich deswegen so zu dir hingezogen. Irgendwann muss jede Diät zu Ende sein, und auf einmal trittst du in mein Leben: ein gut aussehender, spannender Unbekannter, der noch dazu sehr klug ist, wenn er gerade mal nicht grübelt. Außerdem brauchst du mich.«
»Ich brauche dich nicht.«
»Ach, Unsinn.« Ihr Temperamentsausbruch traf ihn unvorbereitet, genauso wie der sanfte Schubs, den sie ihm versetzte. »In diesem Haus gibt es nur was zu essen, weil ich eingekauft und gekocht habe. Du hast ein paar Pfund zugenommen, und dein Gesicht sieht nicht mehr so eingefallen aus. Du hast saubere Socken, weil ich sie wasche. Du hast jemanden zum Zuhören, wenn du reden willst, was sogar manchmal vorkommt, ohne dass ich dir die Worte aus der Nase ziehen muss. Du hast jemanden, der an dich glaubt, und das braucht jeder Mensch.«
Sie griff nach ihrer Handtasche und ließ sie wieder fallen.
»Glaubst du etwa, du bist der Einzige, der etwas Schlimmes erlebt hat, dem alles genommen wurde? Glaubst du, du bist der Einzige, dessen Wunden heilen müssen und der lernen muss, sich ein neues Leben aufzubauen? Man kann kein neues Leben aufbauen, wenn man gleichzeitig mauert. Diese Mauern können einen nicht schützen, Eli. Sie sorgen nur dafür, dass man vereinsamt.«
»Ich bin gern allein«, entgegnete er scharf.
»Noch so ein Unsinn. Klar, jeder braucht Zeit und Raum für sich. Aber wir brauchen auch menschliche Wärme, Kontakte, Beziehungen. Weil wir Menschen sind. Ich habe gesehen, wie du Maureen angeschaut hast, als wir uns am Strand begegnet sind. Du hast gestrahlt. Sie ist eine Beziehung. Und ich auch. Das brauchst du genauso wie Essen, Trinken, Arbeit, Sex und Schlaf. Deshalb sorge ich dafür, dass du Essen und Trinken hast, kaufe dir Wasser, Saft und Mountain-Dew- Limonade, weil du die so magst, und achte darauf, dass du saubere Bettwäsche hast. Und jetzt behaupte nicht, du würdest mich nicht brauchen.«
»Du hast den Sex vergessen.«
»Darüber lässt sich reden.«
Sie vertraute ihrem Instinkt, überließ sich ihm, machte einen Schritt nach vorn, nahm sein Gesicht in beide Hände und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Das hatte nichts Sexuelles, wie sie fand. Eher etwas Elementares. Das war ein menschlicher Kontakt.
Egal, was das in ihr
Weitere Kostenlose Bücher