Das Geheimnis der Wellen
Zusammenhang.
Was bedeuten konnte, dass der Mord an Duncan etwas mit dem Einbruch zu tun hatte.
Wieder fragte sich Eli nach dem Warum. Ein echtes Rätsel. Früher hatte Eli Rätsel geliebt. Höchste Zeit herauszufinden, ob er immer noch eine Begabung für die Suche nach der Lösung hatte.
Er ließ das Teleskop auf der Terrasse liegen, ging wieder nach oben, um einen Notizblock und einen Stift zu holen. Zwischendurch schaute er kurz in der Küche vorbei, um sich ein Sandwich zu machen. Weil es auch schon egal war, nahm er gleich noch ein Bier mit. Er trug alles in die Bibliothek, machte Feuer im Kamin und setzte sich an den prächtigen antiken Schreibtisch seines Urgroßvaters.
Er wollte mit Lindsays Tod anfangen, merkte aber, dass das nicht der eigentliche Anfang war. Das erste Jahr ihrer Ehe war eine Art Anpassungsphase gewesen. Es hatte Hochs und Tiefs, aber auch Seitwärtsbewegungen gegeben. Sie beide hatten viel Zeit und Sorgfalt darauf verwendet, das Haus umzubauen und einzurichten.
Wenige Monate nachdem sie eingezogen waren, begannen sich die Dinge unmerklich zu ändern.
Sie fand, sie brauchte noch Zeit, bevor sie eine Familie gründen wollte, und er konnte sie sogar verstehen. Also hatte er sich in die Arbeit gestürzt. Man wollte ihn zum Partner machen, und er fühlte sich bereit dafür.
Sie genoss es, Partys zu geben und Einladungen anzunehmen. Außerdem hatte sie ihre eigene Karriere, ihre eigenen Kontakte. Trotzdem stritten sie zunehmend über seine vielen Überstunden – darüber, wessen Bedürfnisse vorgingen. Ehrlich gesagt, konnte man ihr das kaum vorwerfen. Sechzigstundenwochen waren bei ihm die Regel. Als Strafverteidiger musste er zudem zahlreiche Nachtschichten einlegen.
Sie genoss die Vorteile, wollte aber den Preis dafür nicht zahlen. Und er schätzte ihre beruflichen Erfolge, nicht aber die sich daraus ergebenden Interessenkonflikte.
Alles in allem hatte ihre Liebe eben einfach nicht ausgereicht.
Wenn man zudem berücksichtigte, dass sie mit seiner Großmutter sowie seiner Liebe zu Bluff House und Whiskey Beach, vorsichtig ausgedrückt, nichts anfangen konnte, schien klar, dass die Kluft zwischen ihnen immer größer werden musste. In der Rückschau konnte er erkennen, dass diese Kluft bereits im ersten Jahr ihrer Ehe entstanden war. Danach war sie rasch gewachsen, bis keiner von ihnen mehr die Kraft oder den Wunsch hatte, sie zu schließen.
Hatte er nicht auch einen Groll gegen Lindsay gehegt, weil sie seine Besuche in Bluff House eingeschränkt und schließlich sogar verhindert hatte? Er wollte zwar seine Ehe retten, aber mehr aus Prinzip als aus Liebe zu seiner Frau.
Wie traurig, dachte Eli.
Trotzdem, er hatte sie nicht betrogen, das musste man ihm lassen.
Er hatte lange darüber nachgegrübelt, wann sie ihm untreu geworden war. Und war zu dem Schluss gekommen, dass es keine zwei Jahre nach der Hochzeit passiert sein musste. Sie behauptete, Überstunden zu machen, und fing an, allein übers Wochenende wegzufahren. Angeblich, um ihre Batterien wieder aufzuladen. Ihr Liebesleben hatte zu diesem Zeitpunkt so gut wie nicht mehr existiert.
Er notierte das ungefähre Datum, ihren Namen, ihre engs ten Freunde, Verwandten und Mitarbeiter. Dann unterstrich er den ihrer Kollegin Eden Suskind. Eine Freundin und außerdem die Frau von Justin Suskind, Lindsays Liebhaber zum Zeitpunkt des Mordes.
Eli kringelte Justin Suskinds Namen ein, bevor er sich weitere Notizen machte.
Eden hatte ihrem untreuen Ehemann für die Mordnacht ein Alibi gegeben. Der hatte im Grunde kein Motiv. Alles wies darauf hin, dass er ein romantisches Wochenende mit Lindsay in Maine geplant hatte. In ihrem Lieblingshotel, wie sich herausstellte.
Justins Frau hatte wahrhaftig keinen Grund, für ihn zu lügen. Sie war gedemütigt worden und am Boden zerstört gewesen, als die Affäre ans Licht kam.
Elis Detektiv war auch dem Verdacht nachgegangen, es könnte ein ehemaliger oder zweiter Liebhaber gewesen sein. Einer, der Lindsay zur Rede gestellt und sie im Affekt ermordet hatte. Aber seine Nachforschungen waren erfolglos geblieben.
Und trotzdem, dachte Eli.
Einerseits hatte sie an jenem Abend jemanden ins Haus gelassen. Es hatte kein gewaltsames Eindringen gegeben, keine Anzeichen eines Kampfes. Ihr Handy und ihre privaten und beruflichen E-Mails hatten auf keinen Kontakt zu Unbekannten schließen lassen. Andererseits hatte sich Wolfe völlig auf ihn eingeschossen, und Elis Detektiv konnte etwas übersehen haben.
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