Das Geheimnis der Wellen
Dann trat er an den Rand der Terrasse, um zu sehen, wie Meer und Himmel miteinander verschmolzen, und sah einer jungen Familie nach, die am Wasser entlanglief. Die Beine der beiden kurz behosten Jungs strampelten eifrig, während sie ins flache Wasser hinein- und wieder hinaussausten, so schnell wie Krabben.
Vielleicht würde er dieses Bier doch trinken, eine kurze Pause machen und sich anschließend noch eine Stunde mit seinen Notizen über die Legende und die komplexe Realität beschäftigen.
Er sammelte seine Sachen ein, kehrte ins Haus zurück und ließ alles fallen, als das Telefon klingelte. Die Nummer seiner Eltern stand auf dem Display. Wie immer blieb ihm beinahe das Herz stehen vor Angst, seine Großmutter könnte erneut gestürzt sein oder Schlimmeres.
Trotzdem legte er so viel Beschwingtheit in seine Stimme wie möglich. »Hallo.«
»Ebenfalls hallo.« Eli entspannte sich ein wenig, als er die fröhliche Stimme seiner Mutter vernahm. »Ich weiß, es ist schon ein wenig spät.«
»Es ist noch nicht mal neun, Mom. Und morgen ist keine Schule.«
Er hörte, wie sie lächelte. »Wie geht es dir, Eli?«
»Gut. Ich habe gerade ein Buch über Esmeraldas Mitgift gelesen.«
»Hoho!«
»Und wie geht es Gran? Dad? Tricia?«
»Allen geht es bestens. Deine Gran ist fast wieder die Alte. Sie wird nach wie vor schneller müde als früher und hat so einige Beschwerden, vor allem nach der Therapie. Aber wir können froh sein, wenn es uns in ihrem Alter so gut geht.«
»Allerdings.«
»Sie freut sich sehr darauf, dich an Ostern zu sehen.«
Er zuckte zusammen. »Mom, ich glaube nicht, dass ich kommen kann.«
»Oh, Eli!«
»Ich lasse das Haus ungern allein.«
»Es ist doch nichts Neues vorgefallen?«
»Nein. Falls die Polizei einen Verdacht hat, wer den Einbruch begangen hat, verrät sie mir nichts davon. Es wäre nicht sehr schlau, das Haus ein, zwei Tage allein zu lassen.«
»Vielleicht sollten wir es verrammeln und einen Wachdienst beauftragen, bis der Einbrecher gefasst ist.«
»Mom! In Bluff House hat immer ein Landon die Stellung gehalten.«
»Meine Güte, du hörst dich ja fast an wie deine Großmutter.«
»Tut mir leid, aber so ist es doch.« Er wusste, wie sehr seine Mutter an den Familientraditionen hing. Außerdem hatte er sie schon viel zu oft enttäuscht. »Ich habe eine Rückzugsmöglichkeit gebraucht, und sie hat sie mir zur Verfügung gestellt. Jetzt muss ich mich auch darum kümmern.«
Sie seufzte laut. »Na gut. Du kannst also nicht nach Boston kommen. Dann kommen wir eben nach Whiskey Beach.«
»Wie bitte?«
»Was spricht dagegen? Hester wird begeistert sein. Wir werden dafür sorgen, dass die Ärzte ihr grünes Licht geben. Deine Schwester und ihre Familie werden sich ebenfalls freuen. Es wird höchste Zeit, dass sich die ganze Familie wieder in Bluff House trifft.«
Seine erste Reaktion war reine Panik gewesen. Doch das änderte sich schnell. Sie hatte recht, es wurde höchste Zeit. »Hauptsache, du verlangst nicht von mir, dass ich einen Schinken mache.«
»Darum werde ich mich kümmern, genau wie um alles andere. Selina kann Ostereier suchen. Ach, weißt du noch, wie gern Tricia und du das gemacht haben? Wir werden am Samstagnachmittag eintreffen. Das wird noch schöner, als wenn du uns besuchen kommst. Ich hätte gleich darauf kommen können.«
»Ich freue mich. Ach übrigens, ich hätte Abra gern dabei.«
»Wunderbar. Vor allem Hester möchte sie sehen. Du weißt bestimmt, dass Abra alle paar Tage anruft, um mit deiner Großmutter zu sprechen. Wir würden uns freuen, sie zu treffen.«
»Gut. Offen gestanden, bin ich mit ihr zusammen.«
Es herrschte beredtes Schweigen in der Leitung. »Du bist richtig mit ihr zusammen?«
»Ja.«
»Oh, Eli, das ist ja wunderbar. Ach, wie mich das freut! Wir lieben Abra, und …«
»Mom, übertreib nicht gleich. Wir sind einfach nur … zusammen.«
»Ich werde mich wohl noch freuen dürfen. Du warst lang nicht … Es ist schon eine Weile her, dass du eine Partnerin hattest. Außerdem mögen wir Abra wirklich sehr. Ich liebe dich, Eli.«
Etwas an ihrem Tonfall rührte ihn zutiefst. »Ich weiß. Ich dich auch.«
»Ich möchte, dass du wieder normal leben kannst. Dass du glücklich bist. Ich vermisse meinen Sohn. Ich vermisse es, ihn glücklich zu sehen.«
Ihm kamen die Tränen, und er schloss die Augen. »Das wird schon wieder. Ich fühle mich fast wie früher. Und ich habe fünf Kilo zugenommen.«
Als sie in Tränen ausbrach,
Weitere Kostenlose Bücher