Das Geheimnis Des Amuletts
oder verängstigt bist, dann lass es mich einfach wissen, ja?« Er sah mich wieder an, und seine Augen waren jetzt eindringlich blau und strahlend. Ich nickte, verwirrt über seine Worte und doch auch irgendwie durch sie getröstet.
»Gut.« Er lächelte und entspannte sich, und wir gingen weiter. Den ganzen restlichen Weg zur Schule sprach er über seine Musik und das Wetter und die Landschaft; über alles und jedes und nichts. Seine klare, präzise Stimme sprach weiter, es klang wie das weiche, beruhigende Murmeln eines Baches. Aber ich hörte nicht wirklich, was er sagte, bis wir schließlich die riesige Eichentür der Abteischule erreichten.
»Nun, es war schön, dich zu treffen, Helen. Ich hoffe, du hast dich nicht erkältet.« Lynton schüttelte sich den Regen aus den Haaren, dann nahm er meine Hand, als wären wir einander auf einer Cocktail-Party vorgestellt worden. Er beugte sich nach vorn und gab mir einen Kuss auf die Wange, so leicht, dass ich die Berührung seines Mundes kaum spürte. »Ich habe nach dir gesucht, draußen in den Moors «, flüsterte er. »Und ich habe dich gefunden. Vergiss das nicht.«
Damit drehte Lynton sich um und ging weg, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen. Ich sah ihm nach, dann ging ich eilig zum Schlafsaal. Meine Wangen brannten, mein Herz tanzte. Es gab nur eine einzige Person, der ich es erzählen konnte. Ich beeilte mich, alles meinem Wanderer zu bekennen, indem ich es Seite um Seite in mein Tagebuch kritzelte.
Verstehst du jetzt, warum mein Kopf immer noch in Flammen steht? Weil Lynton mich als schön bezeichnet hat. Er hat gesagt, dass es ihm nicht egal ist, was mit mir passiert. Er hat nach mir gesucht. Und als seine Lippen über meine Wange strichen, spürte ich etwas völlig Neues. Ich fühlte mich glücklich.
Wo endet das Lied?
Was ist deine Wahrheit,
wunderschöner Fremder?
Genug davon. Ich muss jetzt los und die anderen finden und ihnen sagen, dass ich nichts Neues über das Auge der Zeit herausgefunden habe. Ich habe nicht einmal versucht, mit meiner Mutter zu sprechen. Dabei sind es diese Dinge, über die ich nachdenken sollte, und nicht über einen Jungen, den ich kaum kenne. Mächte des Mystischen Weges, beschützt mich vor mir selbst, lasst mich nicht selbstsüchtig sein, lasst mich das Versprechen halten, das ich gegeben habe. Aber, oh, Wanderer, bitte hilf auch mir! Wenn ich nur sichergehen könnte, dass das, was ich dir erzählt habe, dich nicht dazu bringen wird, mich auszulachen oder mich zu verachten.
Ich möchte nicht, dass du denkst, ich hätte dich verraten. Ich wollte mich deinem Andenken gegenüber nicht illoyal verhalten. Aber vielleicht bringt mich das Leben endlich einmal dazu, nach vorn zu schauen statt zurück. Hilf mir, mein lieber Freund. Hilf mir, stark zu sein, nicht selbstsüchtig.
Ich kann trotzdem nicht aufhören. Meine Kleidungsstücke sind nass und kalt, und meine Finger schmerzen vom vielen Schreiben. Aber mein Geist, mein Herz – sie zumindest sind erwacht. Etwas in mir verströmt sich wie der Gesang eines Vogels … glücklich … glücklich … glücklich …
Sechzehn
Das Zeugnis von Evelyn Johnson
Ich war nicht gerade glücklich darüber, dass sich unser Ausflug zum Uppercliffe-Hof anders entwickelt hatte als geplant. Velvet war der letzte Mensch, den ich in diesem Moment sehen wollte, aber nachdem sie uneingeladen aufgetaucht war, konnten wir nicht so tun, als hätten wir nicht mitbekommen, dass Helen in der Luft verschwunden war und sich aufgelöst hatte wie die Erinnerung an einen Traum. Wir konnten uns unmöglich einreden, dass Velvet nicht wusste, dass wir in etwas Tiefes und Seltsames verstrickt waren. Die Schatten und Mysterien, die sich um uns herum webten, übten eine Anziehungskraft auf etwas in Velvets bedürftigem, suchendem Herzen aus.
Und jetzt hatte sie unsere Zusammenkunft in Uppercliffe gestört und strahlte triumphierend. Und sie verlangte Antworten. »Wie hat Helen das gemacht? Könnt ihr mir beibringen, das auch zu tun? Ich werde nicht gehen, bevor ihr mich nicht in euer kleines Geheimnis einweiht. Und, he, Jungs …« Velvet brach ab und lächelte jetzt Josh und Cal mit ihrem üblichen verführerischen Seht-mich-nur-an-Charme an. »Schön, euch wiederzusehen. Dann steckt ihr also immer noch mit drin in dieser Hexensache? Ich dachte, das wäre nur was für Mädchen?«
Cal antwortete nicht, aber er zog Sarah dichter zu sich heran und hielt seinen Blick ungerührt auf Velvet gerichtet.
»Was ist
Weitere Kostenlose Bücher