Das Geheimnis Des Amuletts
zurückgehalten. »Helen, Velvet möchte mit uns reden. Sie … sie hat dich gesehen, oben in Uppercliffe.«
Helen sah an mir vorbei zu Velvet, die neben Sarah stand. Ein verständnisvoller Ausdruck ging über ihr Gesicht, und Helen holte tief Luft. »Dann möchte Velvet dem Mystischen Weg folgen?«
»Genau darüber müssen wir reden«, fing ich an. »Wir müssen sicher sein, dass sie … du weißt schon … dazugehört.«
»Warst du dir am Anfang so sicher, dass du dazugehörst, Evie?« Helen ließ ihr seltenes, melodisches Lachen erklingen. »Hast du mich gemocht, als wir uns das erste Mal begegnet sind? Habe ich Laura gemocht, als sie noch am Leben war?«
»Haben wir nicht alle diese Erfahrungen hinter uns gelassen?«, fragte ich ruhig. »Es geht darum, ob es gut ist, wenn Velvet jetzt zu uns kommt. Können wir wirklich Schwestern sein, nach allem, was im letzten Term passiert ist? Und was ist ihr Element? Wie könnte sie da reinpassen?«
Helen hatte versucht, mich und Sarah von sich fernzuhalten, seit dieser Term angefangen hatte, und daher war ich überzeugt, dass sie Velvet nicht in ihrer Nähe haben wollte. Umso überraschender war ihre Antwort.
»Wir kennen die Antwort darauf nicht. Und es ist nicht an uns, es zu entscheiden. Vielleicht sind unsere Schicksale ganz anderes, als wir es uns je ausgemalt haben.«
»Ich wusste, dass du es verstehen würdest, Helen«, sagte Velvet atemlos. »Ihr müsst mir vertrauen. Ich könnte euch helfen. Ich könnte zu euch gehören.«
»Aber wir brauchen dich nicht!«, rief ich und bereute meine Worte sofort.
Velvets Augen füllten sich mit Tränen. »Ich bitte euch nur um eine Chance.«
»Wir können nicht wissen, wen oder was wir eines Tages brauchen, Evie«, sagte Sarah ruhig. »Ich denke, Velvet sollte die Chance haben, die Wahrheit zu erkennen. Die Wahrheit gehört nicht nur uns. Der Mystische Weg ist weder ein exklusiver Club noch eine Geheimgesellschaft. Niemand von uns war von Beginn an etwas Besonderes. Wir alle haben Hilfe erhalten, während wir unsere Kräfte entdeckt haben. Wenn Velvet eine Rolle zu spielen hat, sollten wir ihr helfen, sie zu finden.«
»Ich vermute, du hast Recht«, sagte ich, beschämt über meinen Ausbruch. »Was sagst du dazu, Helen?«
Sie zögerte. »Lassen wir es Velvet herausfinden«, sagte sie schließlich. »Lassen wir sie die Wahrheit finden.«
»Danke, Helen«, rief Velvet. »Danke, danke! Ich möchte die Dinge tun, die du tun kannst. Ich verspreche …«
»Nein, keine Versprechungen«, sagte Helen. »Geh einfach nur den Weg weiter, wo immer er dich hinführt.«
Sie setzte sich abrupt in Bewegung, ging über den regennassen Rasen davon, und wir folgten ihr, sahen uns überrascht an und zogen die Schultern hoch, als könnte uns das vor dem trüben Wetter schützen. Kurz darauf erreichten wir mehrere Büsche, die dicht an dicht wuchsen und von denen es jetzt heftig tropfte. Ich erkannte den Eingang zur alten Grotte wieder. Schon bald verschwanden wir in dem Raum, in dem die Mauern den Schall zurückwarfen und der uns vom Regen und dem Rest der Welt abschnitt.
Die Wände der kleinen Höhle waren ursprünglich mit phantasievollen Mosaiken geschmückt gewesen – mit Nymphen und Blumen und verschiedenen exotischen Szenen –, aber jetzt sah alles ganz anders aus. Viele der Steinchen waren herausgebrochen, so dass sie zerfressen wirkten; Wasser trat aus ihnen hervor, und sie stanken nach Erinnerungen. Ich war mit Sebastian hier gewesen. Ich hatte ihn berührt, ihn gehalten und seine Stimme gehört … dies war ein Platz voller Geister. Und doch hatte es auch eine Zeit gegeben, als ich nicht an solche Dinge geglaubt hatte. Sebastian, Sebastian, rief mein Herz. Ich schluckte mühsam und zitterte in der kalten, feuchten Luft.
»Niemand kann uns hier sehen oder hören«, sagte Helen.
Sarah griff in eine grobe Nische in der Mauer und nahm einen Kerzenstummel heraus, den wir bei unserem letzten Besuch hier liegen gelassen hatten. Sie zündete ihn an, und die Steine und Oberflächen der sonderbaren Mosaiken glänzten im Licht. Velvets Augen waren jedoch immer noch schwarz und hungrig. Ich fühlte mich in ihrer Gegenwart unwohl, aber ich vertraute darauf, dass Helen wusste, was sie tat.
Ich hätte Helen mein Leben anvertraut.
Siebzehn
Aus dem Tagebuch von Helen Black
Mitternacht, 9. Oktober
Ich hoffe, du vertraust mir, Wanderer, wenn ich sage, dass alles, was ich dir mitteilen werde, die Wahrheit ist, so vollständig und total
Weitere Kostenlose Bücher