Das Geheimnis Des Amuletts
Agnes’ Versteck auf dem Dachboden zu schleichen. Es kam mir leichter vor, hier oben nachzudenken, dicht bei der Stelle, wo sie einmal gearbeitet hatte. Aber wenn ich gedacht hatte, dass ich mich in ein bisschen Tagträumerei flüchten könnte, hatte ich mich getäuscht. Ich war umgeben von den Überresten des Mystischen Weges, und ich spürte, wie alle unsere Probleme auf mich einstürmten. Das gleiche alte Dilemma wirbelte durch meinen Geist: das Siegel, meine Mutter, Laura, das Auge der Zeit … ich versuchte, mich an alles zu erinnern, was Miss Scratton uns im vergangenen Term erzählt hatte. Sie hatte angedeutet, dass Kräfte auf Wyldcliffe verborgen waren, eine Zeitverschiebung in der Erde, eine Art Tür zwischen dieser Welt und den Schatten und den unsichtbaren Landen …
Was konnte der Schlüssel zu dieser Tür sein? Was hatte Miss Scratton wirklich gemeint, als sie von dem »Geheimnis der Schlüssel« gesprochen hatte? Und dann erinnerte ich mich an etwas anderes. Im vergangenen Term hatte Sarah mir erzählt, dass Miss Dalrymple Miss Scrattons Arbeitszimmer durchstöbert hatte. Damals hatten wir vermutet, dass Rowena Dalrymple nach etwas gesucht hatte, das sie gegen unsere Wächterin hätte benutzen können. Aber jetzt kam mir der Gedanke, dass der an den Wänden von Büchern gesäumte Raum auch viele Jahre lang das Arbeitszimmer meiner Mutter gewesen war. Was, wenn Miss Dalrymple tatsächlich nach etwas gesucht hatte, das meiner Mutter gehört hatte? Was, wenn es noch immer da war und mir helfen könnte? Was, wenn die »Schlüssel« selbst dort verborgen waren? Dieser Gedanke begann, in meinem Geist zu pulsieren, bis ich davon überzeugt war, dass da etwas in diesem Zimmer war, das ich finden musste. Ich musste nur sicher sein, dass Dr. Franzen lange genug weg sein würde, damit ich in das Zimmer gehen und nachsehen konnte.
Ich verließ Agnes’ Zimmer und glitt wieder die Treppe hinunter zur Schule. Ich musste bereit sein, jede Chance zu ergreifen, die sich mir bot, und sie kam schnell.
Später an diesem Tag mussten Evie und ich uns nach dem Unterricht um die Blumen in der Eingangshalle kümmern. Diese Aufgabenverteilung hing mit unseren Stipendien zusammen: Aufräumen, Blumen arrangieren, den jüngeren Schülerinnen beim Lernen helfen. Ich sagte Evie, dass ich die Blumen allein übernehmen würde, so dass sie gehen und Josh treffen konnte. Sie lächelte dankbar und nahm mein Angebot an, ließ mich mit einem Haufen bronzefarbener Chrysanthemen und karmesinroter Rosen zurück, die ich arrangieren wollte. Während ich still arbeitete, hörte ich den festen Schritt von Dr. Franzen und das Tipp-Tapp-Tipp-Tapp seines Stockes auf den Marmorstufen. Mein Magen verkrampfte sich, während er immer näher kam. Miss Hetherington war bei ihm, unterhielt sich angeregt mit ihm über das Gedenkkonzert.
Ich versuchte, mich in die Schatten zu drücken, so dass ich nicht bemerkt werden würde, aber als sie auf der untersten Stufe angekommen waren, musterte mich der Master von oben bis unten. Ein Lächeln spielte um seine strengen Lippen, aber seine Stimme war kalt. »Was hat das zu bedeuten? Kümmert sich normalerweise nicht die Hausverwalterin um das Arrangieren der Blumen? Was tust du da?«
Ich konnte nicht sprechen, dazu war mein Mund viel zu trocken. Miss Hetherington trat vor und sagte: »Das ist Helen Black. Sie ist eine Stipendiatin, und dies ist eine ihrer Aufgaben. Beeil dich damit, Helen; du könntest schon längst fertig sein.«
»Das also ist Helen Black«, sagte Dr. Franzen in seinem langsamen, berechnenden Tonfall und starrte mich irgendwie erheitert an. Ich sah zu Boden und versuchte, seinem Blick auszuweichen. Er nahm eine zarte Treibhausrose, die so rot war wie ein Blutfleck. »So wunderschön«, murmelte er. Dann drehte er mir abrupt den Rücken zu. »Und jetzt zum Kunstraum, Miss Hetherington. Sie hatten gesagt, dass Sie mir dort etwas zeigen wollten. Ich habe eine halbe Stunde, die ich Ihnen widmen kann.« Er ging weg, bewegte sich überraschend schnell trotz seines Gehstocks, so dass Miss Hetherington sich beeilen musste, mit ihm Schritt zu halten.
Das war meine Chance! Ich musste es jetzt tun, solange er auf dem Weg zum Kunstraum war. Eine halbe Stunde würde genügen, um mich in sein Arbeitszimmer zu schleichen und Nachforschungen anzustellen. Ein paar Schülerinnen kamen die Treppe herunter, plauderten auf dem Weg zur Bibliothek miteinander, aber ansonsten war niemand da. Es war die ruhige
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