Das Geheimnis Des Amuletts
wenn ihr mich hören könnt, helft mir.
Und während Dr. Franzen mich mehr oder weniger zu den Marmorstufen zerrte, geschah das Wunder.
»Helen! Dr. Franzen, was für ein Glück! Ich habe Miss Black gesucht, Sir.«
Es war Lynton, und sein Lächeln war so unschuldig und vertrauensvoll wie das eines Kindes. Und es war seltsam – so seltsam! Er sah gar nicht so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte; sein Gesicht wirkte schmaler – älter – und doch auch attraktiver. Ich hatte das Gefühl, als hätten wir tausend Unterhaltungen geführt, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, in irgendeiner Traumwelt, wo es keinen Schmerz gab und wo wir einander sehr gut kannten.
Dr. Franzen ließ mich los, sobald Lynton zu sprechen begann. »Sie suchen Helen Black?« Er runzelte die Stirn. »Und wieso, wenn ich fragen darf?«
»Oh, Mr. Brooke möchte, dass ich sie begleite, wenn sie beim geplanten Gedenkkonzert singt. Er sagt, Helen hätte eine wundervolle Stimme, wie die eines Engels, und dass Sie erstaunt sein werden.«
»Ich bin sicher, dass ich das sein werde«, sagte Dr. Franzen langsam. Er starrte Lynton an, als würde er ihn abschätzen. »Ich vermute, Sie sind unser Gastschüler von St. Martin’s, ja?«
»Ja, und wir sollten besser gehen und mit dem Üben anfangen, Sir. Vielen Dank.«
Lynton zog mich den Gang entlang zu den Übungsräumen. Er schob mich in den ersten und schloss die Tür.
»Also ist das entschieden!« Er lachte. »Wir sind jetzt Partner.«
Ich fühlte mich vor Erleichterung und Erstaunen ganz schwach. Ich sackte auf einen Stuhl und versuchte, in all dem einen Sinn zu erkennen. »Aber … aber … ich kann doch gar nicht singen! Wieso hat Mr. Brooke gesagt, dass ich es kann?«
»Wieso sollte er es nicht sagen?«, erwiderte Lynton. Er lachte jetzt nicht mehr. Er sah mich aufmerksam an, als würde er etwas sehen, das in weiter Ferne lag. »Ich denke, dass du alles tun kannst, was du tun willst«, sagte er ruhig. »Du kannst alles sein, was du willst. Du kannst sogar glücklich sein, wenn du das möchtest. Du musst nur daran glauben.«
»So einfach ist das nicht«, sagte ich. »Man kann sich nicht einfach glücklich machen .« Aber mein Herz war seltsam leicht, als ich das sagte.
»Nein, aber man kann alles hinter sich lassen, das einen so lange unglücklich gemacht hat. Allerdings musst du davon überzeugt sein, dass es das ist, was du wirklich willst. Gefangene werden nicht frei, wenn sie ihr Gefängnis mehr lieben als die Freiheit.«
Erinnerungen rührten sich in mir, und ich starrte ihn erstaunt an. »Wieso sagst du all diese Dinge – hat Mr. Brooke dich wirklich gebeten, mich zu finden? Was willst du von mir?«
»Ich will gar nichts von dir«, sagte er weich. »Abgesehen davon, dass du weißt, dass ich dich für erstaunlich halte. Für die erstaunliche, wundervolle, wunderschöne Helen Black. Und du bist hier bei mir.«
Während er sprach, fühlte ich mich tatsächlich erstaunlich, als würden seine Worte mich mit Licht erfüllen. Zum allerersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich schön. Es kam mir vor, als wäre ich wirklich am Leben und würde aus einem langen, langen Schlaf erwachen. Ich sah ihn verwundert an.
»Du hast mich gerettet«, sagte ich.
»Du hast dich selbst gerettet«, erwiderte er ernst. »Du hast nach mir gerufen, und ich bin gekommen. Ich werde immer kommen.« Dann strahlte er mich an und hielt mir seine Hand entgegen. »Was sagst du, Helen? Wollen wir zusammen Musik machen?«
Bis zu diesem Tag hätte ich nein gesagt. Ich wäre weggelaufen, zurück in mein Gefängnis der Einsamkeit. Aber etwas hatte sich verändert. Wir waren jetzt verbunden. Ich nahm Lyntons Hand in meine, und ein Schauer lief mir über die Haut, als wir uns zur Bestätigung unseres Handels die Hände schüttelten.
»Okay«, sagte ich. »Ich werde mit dir singen. Wir sind Partner.«
Und so sangen wir und spielten und lachten, und in diesen kurzen Stunden vergaß ich, dass es etwas wie Unglücklichsein gab. Ich vergaß sogar, dass es so etwas wie den Mystischen Weg gab.
Es blieb nicht dabei. Wir trafen uns auch am nächsten Tag und am übernächsten, offiziell um für das Konzert zu üben, aber wir schafften es immer, uns während der Proben etwas Zeit zu nehmen, um uns zu unterhalten und zu staunen und einander zu entdecken, und all das fand wegen dieser glücklichen Entscheidung von Mr. Brooke statt, uns zusammenarbeiten zu lassen.
Obwohl ich mir nicht ganz sicher war, ob es tatsächlich
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