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Das Geheimnis Des Amuletts

Das Geheimnis Des Amuletts

Titel: Das Geheimnis Des Amuletts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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schweren Eisenring der Vordertür herum und betrat die Eingangshalle. Statt allerdings wie sonst ein helles Feuer und eine herrschaftliche Atmosphäre zum Empfang vorzufinden, fühlte sich der Raum verlassen an. Die Blumen in der schweren Vase waren verwelkt. Eine einzelne Lampe verströmte einen schwachen Schimmer. Als ich die Tür hinter mir schloss, sprangen ein halbes Dutzend Frauen auf mich zu und packten mich. Ich wehrte mich, aber es waren zu viele. Eine Glocke läutete in der Ferne, wie der Hinweis auf ein furchtbares Verhängnis. Es war die Glocke der Dorfkirche, und sie kündigte nicht die Stunde an, wie sie es so viele Jahre treu getan hatte, sondern rief mit schroffem, melodielosem Spott die Lebenden zur Verhandlung und forderte die Toten auf, sich aus ihren Gräbern zu erheben und herzukommen.
    Miss Dalrymple hatte einen schweren Stock dabei, und jetzt benutzte sie ihn. Ich taumelte unter ihren Schlägen, während die Schwestern der Dunkelheit jubelten. »Das ist das letzte Mal – nie wieder wirst du frei herumlaufen!«, keuchte sie, und jedes Mal, wenn sie eine Pause machte, um Luft zu holen, schlug sie mich erneut, bis ich glaubte, meine Rippen würden brechen. »Wie kannst du es wagen, dich um den Gefangenen unserer Mistress zu kümmern? Aber wir werden ihn schon bald zurückbekommen.«
    Trotz der Schmerzen schoss eine glühende Freude durch mich hindurch. Sie musste von Josh sprechen. Er war also wirklich entkommen, er war bei Agnes, und Cal würde ihn finden. Ich schloss die Augen und dachte nur noch an diese gute Nachricht, bis Rowena Dalrymple endlich fertig war.
    Sie warf den Stock weg und packte mich an den Haaren, brachte ihr bebendes rotes Gesicht ganz dicht an meines heran. »Der Moment deiner endgültigen Niederlage ist nah«, sagte sie schadenfroh. »Die Priesterin wird uns, ihre treuen Anhänger, belohnen.« Die Frauen lachten, als Miss Dalrymple anfing, mich die kalten weißen Marmorstufen hochzuziehen. Ich stolperte auf wackligen Beinen mit, während eine lange Reihe ordentlicher, gesitteter Schülerinnen die Stufen herunterkamen, angeführt von Miss Schofield. Eines der Mädchen warf mir einen Blick zu. Es war Velvet. Ich glaubte, einen winzigen Hauch von Erkennen in ihren dunklen Augen gesehen zu haben. Aber sie wandte sich ab und folgte den anderen, während die Glocke weiter und weiter läutete.
    Als wir den zweiten Stock erreichten, zwang Miss Dalrymple mich den Korridor entlang, bis wir das Turmzimmer erreichten, das für Strafen benutzt wurde. Sie schob mich in die Mitte des Zimmers, und ich brach zusammen, rieb mir die geprellten Stellen und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Als ich dann aufsah, stellte ich voller Verwunderung fest, dass sich das Zimmer verändert hatte; von den in der Schule üblichen nackten weißen Wänden und schlichten Möbeln war nichts mehr zu sehen, stattdessen hatte es sich in eine dunkle, erstickende Höhle verwandelt, die mit schwarzer Seide ausgekleidet war und in der überall abscheuliche Masken und grinsende Fratzen hingen. Auf dem Tisch stapelten sich haufenweise ledergebundene Bücher sowie Pergamente und Schriftrollen, alle mit Totenschädeln und Dämonen und Todeszeichen verziert. Ein scharlachrotes Pentagramm war auf den Boden gemalt worden, und am Fenster hatte jemand ein Symbol angebracht. Es schien aus Bleiglas zu bestehen und hatte die Form eines einzelnen, starrenden Auges, um das sich Schlangen wanden.
    »Bewunderst du die Arrangements unseres Meisters?«, fragte Miss Dalrymple mit einem albernen, grausamen Lächeln. »Vielleicht werden sie dir helfen, deine Gedanken zu fokussieren, bis du von der Großen Priesterin gerufen wirst.«
    Ich machte mir nicht die Mühe, darauf etwas zu erwidern. Sie war ebenso wahnsinnig wie die anderen, vergiftet von dem wahnsinnigen Traum, ewig leben zu können und Macht anstelle von Liebe zu suchen. Ich sah ihr ins gerötete Gesicht, und hinter der Grausamkeit und der Gewalttätigkeit erkannte ich eine verzweifelte, traurige Frau, die Angst vor dem Alter und der Einsamkeit hatte und die sich deshalb an etwas klammerte, das ihr niemals das geben konnte, was sie wirklich brauchte. In diesem Moment empfand ich nichts als Mitgefühl für sie und die anderen Schwestern der Dunkelheit. Und was die Priesterin und ihren Geliebten, Dr. Franzen, betraf – sie waren innerlich zerfressen vor Angst. Sie hatten sogar Angst vor mir, vor dem abgeschobenen Kind, und deshalb hatten sie versucht, mich zu zerstören. Ich

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