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Das Geheimnis Des Amuletts

Das Geheimnis Des Amuletts

Titel: Das Geheimnis Des Amuletts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Shields
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wollen. Du sollst einfach nur den Wasserfall sehen, hatte er gesagt. Er ist ein perfektes Wunder.
    Ich holte tief Luft. Ich hatte meine Entscheidung getroffen. So verrückt es auch schien, ich würde meinem wunderschönen Fremden vertrauen und mir sein Wunder ansehen.
    Einen Moment später zog ich die kalte Luft der Grotte enger um mich zusammen und ließ mich in ihre Umarmung sinken, dann schwebte ich auf dem Rücken des Windes hoch über Wyldcliffe dahin, durch Zeit und Raum und Sterne. Blendendes Licht und rauschende Geschwindigkeit überwältigten mich fast, und gerade, als ich das Gefühl hatte, in einer Leere aus grenzenloser Macht und Energie zu verbrennen, trat ich aus den verborgenen Pfaden heraus und sank auf der süßen feuchten Erde von Thornton Moor auf die Knie.
    Ein Stück voraus sah ich den Schimmer des Wasserfalls im verblassenden Licht, wie er über die Klippe in die Tiefe stürzte; immer im Wandel, immer gleich. Ich stand auf und lief zu ihm, rutschte in meinem Eifer, keine Sekunde zu verschwenden, aus. Das Wasser stürzte geräuschvoll in den tiefen Teich am Fuß der Klippe, und beiderseits davon ragten dunkle Felsen wie stumme Wachen auf. Ich fing an, die Felsen zu erklimmen, stieg die groben Stufen hoch und befahl mir, nicht nach unten zu blicken. Schon bald stand ich an dem geheimen Platz, den Lynton mir gezeigt hatte, dort auf dem glitschigen Absatz zwischen dem Wasservorhang und der Klippe. Der Absatz zeigte nach Westen, und die untergehende Sonne glitzerte wie tausend Glühwürmchen auf dem funkelnden Wasser, das gleich vor meinen Augen in die Tiefe stürzte. Ich wandte diesem herrlichen Anblick jedoch den Rücken zu und fing an, mich umzusehen. Diesmal war niemand hier, um mich aufzufangen, falls ich stolpern sollte. Ich musste vorsichtig sein, und ich wusste nicht einmal, wonach ich überhaupt suchte. Ich wusste nur, dass ich es erkennen würde, wenn ich es sah. Ich fing an, das Felsgestein abzutasten und mit den Fingern zu erspüren, als würde ich im Dunkeln ein Gesicht erforschen … und dann war es da. Ein vollkommener, winziger Kreis, eine flache Rille im uralten Stein, die keinen Anfang und kein Ende hatte und darauf wartete, gefunden zu werden, jetzt, genau in diesem Moment. Ohne lange nachzudenken zog ich mir Lyntons Ring vom Finger und legte ihn in den Kreis. Es klickte, als der Ring an seinen Platz kam, und mit einem rumpelnden und schleifenden Geräusch öffnete sich im Fels eine Tür.
    Ich trat ins Innere. Im Herzen des Felsens befand sich eine flache Höhle, und dort auf dem Boden lag das Buch. Ein loses Blatt Papier war an einer Stelle hineingeschoben. Ich riss das Blatt mit zitternden Händen heraus. Du bist nicht allein , stand darauf, und das Buch öffnete sich für mich. Ich musste mich zwingen, mich zu konzentrieren, und las die folgenden Worte:
    Die Mächte leben in den Herzen der treuen Diener des Mystischen Weges und können anderen weder übergeben noch vererbt werden, es sei denn durch die Liebe. Wenn ein Dämon oder ein Dunkler Geist mit Gewalt versucht, sie an sich zu reißen, können sie die Mächte dadurch zersprengen und so sich selbst zerstören, indem sie sich in den Mahlstrom des Chaos ziehen, aus dem alle Sünde kommt und wohin alles zurückkehrt.
    Es passte alles zusammen. Also hatte Evie deshalb an Agnes’ Kräften teilhaben können, weil die beiden durch die Liebe als Schwestern miteinander verbunden waren. Die Priesterin hingegen würde es nicht wagen, uns unsere Mächte zu entreißen, denn sie würde nicht das Risiko eingehen, dabei zerstört zu werden. Dann erinnerte ich mich an noch etwas: wie Evie zum ersten Mal in Wyldcliffe aufgetaucht war und Mrs. Hartle versucht hatte, ihr die Kette und die damit verbundenen Kräfte zu stehlen, es aber nicht geschafft hatte, den Talisman zu berühren, ohne Schmerz zu empfinden. Deshalb musste die Priesterin die Schlüssel in diesem Käfig aufbewahren: weil sie es nicht ertragen konnte, sie zu berühren. Deshalb musste ich sie ihr freiwillig als Tausch gegen das Leben von Evie und Sarah und all den anderen Mädchen der Abteischule geben. Wenn ich das allerdings nicht tat, würden alle Opfer von Wyldcliffes dunkler Vergangenheit werden. Es war eine Entscheidung, die ich unmöglich treffen konnte. Ich musste mehr wissen, und so las ich weiter, verschlang jedes einzelne Wort.
    Es gibt viele geheime und heilige Wege, um diese Liebe nutzbar zu machen und die Kräfte einem anderen würdigen Wesen zu übertragen. Sorge

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