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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Erklärung, in einen besonderen Raum im Hintergrund. Als er mit einem Kleiderbündel und zwei Körben zurückkehrte, wurden meine Damen nochmals um eine Schattierung bleicher.
    »Ja«, sagte die ältere rasch und wandte den Kopf ab, »ja, ich bin sicher, daß das ihre Sachen waren. Wie entsetzlich …«
    Der weißgekleidete Wärter, übereifrig in seiner Eigenschaft als Leichenhüter, fragte, ob die Damen die Tote sehen wollten.
    »Nein«, sagte ich, »man hat sie nicht darum ersucht. Die Kleider genügen für die Identifizierung. Falls es die Nachforschungen jedoch irgendwie fördern könnte, wäre ich bereit, an ihrer Stelle zu gehen.«
    Der Polizist, der uns begleitet hatte, zuckte die Schultern: Das war meine Sache. Keine der beiden Lehrerinnen verstand, was geredet wurde. Ich ging mit dem Wärter ins Totenzimmer. Getrieben von einer schmerzlichen Faszination, doch voller Unbehagen, näherte ich mich der Holzbahre, auf der die Leiche lag. Der Aufseher zog die Decke zurück, so daß ich das Gesicht sehen konnte. Es wirkte edel in der Ruhe des Todes und jünger, als es mir letzte Nacht erschienen war.
    Ich wandte mich ab. »Danke«, sagte ich zu dem Wärter.
    Ich folgte ihm in den vorderen Raum. Die Lehrerinnen sahen mich fragend an. Ich sagte nichts, sondern schüttelte nur den Kopf. Sie mußten annehmen, daß ich mich mit dem Leichenhüter zurückgezogen hatte, um ihm in meiner Funktion als Reiseleiter ein Trinkgeld zu geben.
    Als wir in das Büro zurückkamen, wo man uns befragt hatte, teilte ich dem diensthabenden Offizier mit, daß die Damen die Kleider wieder erkannt hätten. Er dankte ihnen noch einmal.
    »Ich nehme nicht an«, sagte ich, »daß Sie die Damen noch brauchen, um zusätzliche Fragen zu stellen. Wir fahren morgen weiter nach Neapel.«
    Mit ernstem Gesicht nahm der Offizier diese Tatsache in seinen Bericht auf.
    »Es ist nicht zu befürchten«, sagte er, »daß Sie noch einmal vorsprechen müssen. Wir haben die Namen und die Adressen. Ich wünsche den Damen und Ihnen selbst eine angenehme Weiterreise.«
    Ich hätte schwören können, daß er, nachdem er sich vor den Lehrerinnen verbeugt hatte, mit den Augen zwinkerte. Und das Zwinkern galt nicht den Engländerinnen, sondern mir.
    »Gibt es irgendwelche Anhaltspunkte, was die Identität des Opfers betrifft?« fragte ich.
    Er hob die Achseln. »Von der Sorte gibt es Hunderte, wissen Sie. Sie kommen in die Stadt gewandert und sind kaum unter Kontrolle zu halten. Auch der Mörder ist wahrscheinlich ein Landstreicher, der sich für irgend etwas rächen wollte, oder aber ein Gelegenheitsverbrecher, der es ums Geld getan hat. Wir werden ihn schon erwischen.«
    Damit waren wir entlassen und gingen über den Hof zu unserem Taxi zurück. Ich half den Damen hinein. »Zu den englischen Tearooms«, sagte ich dem Fahrer.
    Minutenlang sprach keine der beiden.
    Dann rief die jüngere aus: »Was für ein gräßliches Erlebnis! Ich hoffe nur, daß ich nie wieder so etwas mitmachen muß!«
    »Wir haben unsere Pflicht getan«, erklärte die andere. »Auf alle Fälle wird es diesen Menschen zeigen, aus welchem Holz wir geschnitzt sind.«
    Ich vermutete, daß sie auf die Polizisten, den Taxi-Chauffeur und mich selbst anspielte.
    »Ich bin froh, daß wir morgen weiterfahren«, gestand die jüngere. »Dies hier hat mich gegen Rom eingenommen.«
    Ihre Freundin stimmte zu. »Wir werden die Erinnerung unser Lebtag mit uns herumschleppen«, sagte sie. »Aber man behauptet, daß das Verbrechertum in Neapel noch heftiger grassiert.«
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. Ich hatte richtig geschätzt. Meine Schutzbefohlenen konnten in Ruhe eine Tasse Tee trinken, ehe die übrigen kamen. Als wir angelangt waren, bezahlte ich das Taxi und eskortierte das Paar in die Englischen Teestuben, wo ich sie an einem Ecktisch unterbrachte.
    »So, meine Damen«, sagte ich, »jetzt können Sie sich wieder erholen.«
    Aber mein mechanisches Lächeln wurde nicht erwidert. Sie gönnten mir nur ein steifes Kopfnicken und vertieften sich in die Karte.
    Ich verließ das Lokal und ging die die Via Condotti hinunter zu einer Café-Bar. Ich hatte die stolzen, durch den Tod noch schärfer herausmodellierten Züge der Frau, die ermordet worden war, ständig vor Augen. Ermordet, weil ich ihr zehntausend Lire in die Hand gedrückt hatte!
    Jetzt war ich sicher, daß ich mich nicht getäuscht hatte. In ihrem Blick hatte Erkennen gelegen, und sie hatte ›Beo‹ gerufen, als ich über die Straße lief. Ich

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