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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Jedenfalls nicht sofort. Und rufen Sie auf keinen Fall Genua an. Die würden sofort ihr Veto einlegen. Giovanni, im Ernst, Sie könnten zur Not doch jemanden auftreiben. Nehmen Sie einmal an, ich hätte Blinddarmentzündung!«
    »Haben Sie Blinddarmentzündung?«
    »Nein, aber ich könnte mir eine zulegen, wenn das von Nutzen wäre.«
    »Das wäre von keinerlei Nutzen. Armino, ich sage Ihnen, ich kann nichts für Sie tun. Wir haben keine Vertreter hier herumlaufen, die wir bemühen könnten, weil Sie mal eben Ferien machen möchten.«
    »Hören Sie zu, Giovanni, ich möchte nicht mal eben Ferien machen. Ich möchte nur auf einer anderen Route arbeiten, in Richtung Norden. Ich möchte einfach tauschen und auch das natürlich nur vorübergehend. Ich muß nach Norden.«
    »Sie meinen Mailand?«
    »Nein – jede Reise zur Adria hinüber wäre mir recht.«
    »Es ist viel zu früh für die Adria. Das wissen Sie doch. Vor Mai fährt kein Mensch an die Adria.«
    »Na schön. Aber es muß ja nicht ein Bus mit einer ganzen Reisegesellschaft sein. Ein Privatkunde täte es auch, der vielleicht auf Ravenna aus ist oder auf Venedig.«
    »Für Venedig ist es auch zu früh.«
    »Giovanni, bitte, Sie wissen doch, daß es für Venedig nie zu früh ist.«
    Er begann mit allerlei Papieren zu rascheln, die vor ihm auf dem Pult lagen. »Ich kann nichts versprechen. Vielleicht ergibt sich bis morgen etwas. Die Zeit ist so kurz. Sie müssen morgen um vierzehn Uhr nach Neapel starten, und wenn ich nicht gleich zwei Dinge drehen kann, wird es nicht klappen.«
    »Ich weiß, ich weiß. Aber bitte versuchen Sie es!«
    »Ich nehme an, es geht um eine Frau?«
    »Natürlich, eine Frau.«
    »Und die kann nicht warten?«
    »Lassen sie uns so verbleiben, daß ich nicht warten kann.«
    Er seufzte und griff wieder nach seinem Telefonhörer.
    »Wenn es irgend etwas Neues gibt, gebe ich im ›Splendido‹ Bescheid, daß Sie zurückrufen möchten. Was wir nicht alles für unsere Freunde tun …«
    Ich verabschiedete mich und ging zu den Englischen Tearooms zurück. Der Regen hatte aufgehört, und die Sonne glitzerte auf jeden einzelnen der Fußgänger hinab, denen da so plötzlich eine Gnadenfrist beschert worden war. Wenn Giovanni den Tausch nicht bewerkstelligen konnte, hatte ich Pech gehabt. Ich bekreuzigte mich.
    Warum, wozu? Ich wußte es nicht. Vielleicht, um die Toten zu beschwichtigen. Oder mein eigenes Gewissen.
    Es war immer noch denkbar, daß ich mich getäuscht hatte, daß die Ermordete gar nicht Marta war. Wenn das zutraf, fand ich mich freigesprochen, obwohl ich in meinen eigenen Augen insoweit mitschuldig blieb, als ich die zehntausend Lire in die Hand der Frau geschoben hatte. Wenn die Tote aber Marta war, konnte ich nicht freigesprochen werden. Der Schrei nach ›Beo‹ machte mich zum Mörder und in jedem Sinne genau so schuldig wie den Verbrecher, wie den Dieb, der zum Messer gegriffen hatte.
    Als ich auf die Piazza di Spagna kam, stellte ich fest, daß meine Herde die Teestunde hinter sich gebracht hatte und im Begriff war, in den Autobus zu steigen. Ich schloß mich der Gruppe an. Aus dem geschwollenen Gebaren der Lehrerinnen konnte ich ersehen, daß sie ihre Geschichte an den Mann gebracht hatten. Für eine kurze Weile waren sie, ihrer Meinung nach, die Heldinnen des Tages. Mr. Hiram Bloom tippte mir abermals unauffällig auf die Schulter, nachdem wir im Bus saßen und im Begriff waren abzufahren.
    »Ich möchte Ihnen danken«, wisperte er, »und zwar in meinem eigenen wie in aller Namen. Nun können wir den Zwischenfall vergessen.« Er schob mir zweitausend Lire in die Hand. Dieses Geld würde ich nicht verschenken.
    Im Hotel fand ich keine Nachricht von Giovanni vor, und nach dem Essen, das sich genauso abspielte wie am vergangenen Abend, nur dieses Mal mit Ansprachen, fuhren wir im Sonderbus hinüber nach Trastevere. Das gab meiner kleinen Schar Gelegenheit, für ein Stündchen das Leben und Treiben in den Café-Bars zu beäugen, das ihrer Meinung nach typisch für dieses Römer Viertel war.
    »Dies ist das wahre Rom«, hauchte Mrs. Hiram Bloom, als sie sich in einer Seitenstraße an einem brechend vollen Trattoriatisch zur Ruhe setzte. Der Tisch war hellbeleuchtet von kitschigen Laternen, die ihr und ihresgleichen eine unschuldige Freude gönnen sollten. Sechs Musikanten in kurzen Hosen, langen Strümpfen und Neapolitanerkappen traten wie auf den Wink eines Zauberkünstlers mit buntbebänderten Gitarren auf. (Tatsächlich hatte

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