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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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eigenen Wünsche stets vor denen anderer zurückzustellen«, erklärte ich. »Letzte Woche nahm sie sich sogar die Zeit, mir ein Weilchen vorzuspielen.« Der Einwurf wirkte sich nicht günstig aus. Er steigerte nur Carlas Kampfeslust.
    »Die Psychologen behaupten, daß Klavierspielen therapeutische Wirkungen hat«, stellte sie fest. »So ein wilder Akkord setzt die Emotionen frei. Sind Sie auch dieser Meinung, Signora?«
    Die Züge des Opfers strafften sich: »Es entspannt«, antwortete sie.
    »Ich fürchte, auf mich würde es kaum diese Wirkung haben«, seufzte Carla, »obwohl ich mir zum Beispiel den Reiz eines Duetts durchaus vorstellen kann. Das muß sehr aufregend sein. Haben Sie je vierhändig gespielt, Signora?« Diesmal war der Ton unmissverständlich.
    Wäre die gleiche Bemerkung Sonntag abend gefallen, als wir, Aldo, Livia und ich selbst, bei Kerzenlicht zu Abend aßen, hätte die Signora sie hingenommen als einen Verstoß im Rahmen des verliebten Geplänkels, an dem wir alle drei beteiligt waren. Damals hätte sie gelächelt und die Frage mit einer ebenso munteren Gegenfrage pariert. Heute lagen die Dinge anders. Heute handelte es sich um einen Ausfall Carla Raspas, der die Stellung der Gegnerin in all ihrer Schwäche offenbaren sollte.
    »Nein, Signorina«, erwiderte sie, »das ist etwas für Kinder. Meine Schüler bereiten sich auf schwierige Examen vor, um sich eines Tages als Musiklehrer niederlassen zu können.«
    Carla Raspa lächelte: Die Signora war ihr ausgeliefert. »Ich hätte gedacht«, sagte sie unschuldsvoll, »daß die rein körperliche Nähe bei einem Duett, die Tatsache, daß man auf ein und demselben Instrument spielt, der Technik beider zugute kommen müßte, der des Lehrers wie der des Schülers. Aber das wissen Sie natürlich besser Bescheid.«
    Schweigen – und diesmal zog sich die Pause bis zur Unerträglichkeit hin.
    Ich versuchte es mit einer neuen Positur, indem ich mein Gewicht auf das linke Bein verlagerte und, Hände in den Taschen, leicht hin- und herzuwippen begann.
    »Wenn Sie wollen, Signora«, sagte Carla Raspa plötzlich, »fahre ich Sie gern nach Hause. Vielleicht ist der Professor, in der Hoffnung, den Präsidenten vor den anderen sprechen zu können, direkt zu Ihnen gegangen.«
    »Danke«, erwiderte die Signora, »aber ich glaube kaum, daß der Professor das vorgehabt hat. Sonst hätte er angerufen.«
    Was die Signora sagte, war einleuchtend; aber indem sie es sagte, gab sie sich preis. Sie war aus eigenem Antrieb und in eigener Sache zu Aldo gegangen – und hatte es zugegeben.
    »Wie Sie wünschen«, sagte Carla, »Sie kennen seine Gepflogenheiten natürlich besser als unsereiner. Was meinen Sie, Armino?«
    »Ich meine, daß Ihr Freund Walter inzwischen mit dem Essen fertig sein wird und sicher gern seinen Wagen zurückhätte«, sagte ich.
    In diesem Augenblick klappte die Haustür. Es war jemand gekommen. In der Diele hörte man Jacopo hastig flüstern. Dann folgte eine tadelnde Bemerkung, darauf Unheil verkündende Stille. Signora Butali wurde blaß, und Carla Raspa drückte instinktiv ihre Zigarette aus. Die Tür öffnete sich. »Welch eine Ehre«, sagte Aldo, und in seiner Stimme schwang etwas Drohendes mit, das seine Besucher daran erinnerte, daß er keinen von ihnen erwartet hatte. »Ich hoffe, Jacopo hat sich um Sie gekümmert. Oder haben Sie schon gegessen?«
    Er wartete eine etwaige Antwort nicht ab, sondern ging auf die Signora zu und küßte ihr die Hand.
    »Ich war gerade zu Ihnen unterwegs, Signora«, sagte er, »aber da ich vor meinem Haus einen Wagen stehen sah, den ich nicht kannte, wollte ich hineinschauen, um festzustellen, was los sei.«
    »Es ist mein Wagen«, sagte Carla, »oder vielmehr – ich habe ihn für diese Fahrt ausgeborgt. Armino ist zum Mittagessen bei mir gewesen, und anschließend habe ich ihn hergebracht.«
    »Wie rührend, Signorina«, sagte Aldo, »die Hügel von Ruffano scheinen an die Beine eines Reiseleiters doch zu große Anforderungen zu stellen …«
    Dann wandte er sich mit der gleichen Lässigkeit an die Frau des Präsidenten.
    »Was kann ich für Sie tun, Signora?« fragte er. »Das Treffen beim Präsidenten ist doch nicht abgesagt worden?«
    Das lange Warten und das Gespräch zu dritt schienen Signora Butali alle Energie und auch jede Geistesgegenwart gekostet zu haben. Mir wurde plötzlich klar, daß sie Aldo seit ihrer Heimkehr nicht hatte anrufen können, oder nur in Gegenwart ihres Mannes, und daß dies seit

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