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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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für ein Pech!« murmelte Aldo. »Ich muß wohl beschäftigt gewesen sein zu diesen Zeiten.«
    »Ja, Sie waren beschäftigt«, sagte sie und schaute mich an, »mit ihm.«
    Sie griff nach ihrer Tasche und schickte sich an zu gehen. Dabei verkündete sie in dem Bestreben, sich als Mitwisserin unserer vermeintlichen Beziehung wichtig zu machen, mit Nachdruck: »Ich hatte ja keine Ahnung, daß Sie mit Armino so eng befreundet sind, Professor.« Aber ihr letztes Geschoß, mit dem sie uns gründlich in Verlegenheit zu bringen gedachte, landete weit vom Ziel.
    »Das ist nur natürlich«, sagte Aldo kurz, »er ist mein Bruder. Wir haben uns wechselseitig für tot gehalten und uns mehr als zwanzig Jahre nicht mehr gesehen, bis zum letzten Sonntag.«
    Die Wirkung seiner Worte war verblüffend. Carla Raspa, die die Möglichkeit, daß ich ein Mörder sein könnte, ohne ein Wimpernzucken zur Kenntnis genommen hatte, wurde dunkelrot. Es war, als hätte Aldo sie ins Gesicht geschlagen.
    »Das wußte ich nicht«, sagte sie. »Das habe ich nicht begriffen. Armino hat auch nie etwas davon gesagt.« Sie schaute fassungslos von einem zum andern.
    Dann brach sie zu meinem maßlosen Erstaunen in Tränen aus.
    »Meine beiden Brüder sind gefallen«, sagte sie. »Sie waren viel älter als ich. Aber ich hing sehr an ihnen. Verzeihen Sie mir.«
    Sie stolperte auf die Tür zu, aber Aldo faßte sie beim Arm, schwenkte sie herum und schaute ihr ins Gesicht.
    »Wie einsam sind Sie eigentlich?« fragte er.
    »Einsam?« wiederholte sie hilflos. Die Tränen hatten ihre Wimperntusche zum Zerlaufen gebracht, und nachdem die Röte aus ihren Wangen gewichen war, sah man die Blässe unter ihrem Make-up. »Habe ich je behauptet, daß ich einsam bin?«
    »Das brauchen Sie nicht erst zu behaupten«, antwortete er grob. »Das proklamieren Sie, sooft Sie mit einem anderen Mann sind.«
    Ich war völlig perplex über die Rohheit meines Bruders. In ihrem Zusammenbruch hatte sich Carla auf ihre Art als genau so schwach und verletzlich erwiesen, wie es Signora Butali war. Warum ließ Aldo sie nicht in Frieden ihrer Wege gehen?
    Als sie seinen Blick erwiderte, fiel auf wunderbare Weise alles von ihr ab, was sonst ihr Wesen auszumachen schien: die ganze Fassade von Angeberei und Frechheit.
    »Mein Körper ist alles, was ich zu geben habe«, sagte sie, »sonst habe ich nichts.«
    »Und was ist mit Ihrem Leben?« fragte er. »Haben Sie nicht das noch zu verlieren?« Er ließ ihren Arm fallen, während sie fortfuhr, ihn anzustarren. Inzwischen hatte die verlaufende Wimperntusche beide Augen völlig verschmiert.
    »Für Sie würde ich es mit Freuden geben, wenn Sie es von mir verlangten«, sagte sie.
    Aldo lächelte und bückte sich nach der Handtasche, die ihren zitternden Händen entglitten war.
    »Das ist das einzige, was zählt«, sagte er.
    Er gab ihr die Tasche zurück und klopfte ihr auf die Schulter. Dann wischte er mit dem Finger über ihre Wange und zeigte ihr lächelnd die schwarzen Spuren. Sie lächelte zurück und begann, mit ihrem Taschentuch an der Schminke herumzutupfen.
    »Vielleicht werde ich morgen, während des Festivals, Ihr Leben von Ihnen fordern«, sagte er. »Vergessen Sie nicht, daß Sie es mir versprochen haben. Es könnte sein, daß ich Sie im Palazzo Ducale brauche. Man wird Sie noch heute abend übers Telefon informieren.«
    »Ich werde alles tun, was Sie wollen, jetzt und immer«, sagte sie. Er dirigierte sie zur Tür. »Eines ist sicher«, sagte er, »wenn Sie den Wunsch haben zu sterben, werden Sie nicht allein zu sterben brauchen.«
    Während sie schon aus der Tür ging, schaute sie über die Schulter noch einmal zu mir zurück.
    »Sehen wir uns wieder, Armino?« fragte sie.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte ich, »einstweilen vielen Dank für die Zuflucht.«
    Sie blickte fragend zu Aldo auf. Aber er gab ihr keine Aufklärung über meine Zukunftsaussichten. Während sie das Haus durch den Doppeleingang verließ, schlug die Glocke von San Donati mit ihrem hohen, dünnen Klang die zweite Stunde.
    »Ich muß gehen«, sagte Aldo. »Ich komme schon fünfzehn Minuten zu spät. Vorhin habe ich übrigens Cesare angerufen und ihm gesagt, daß du hier bist. Er und Giorgio haben dich den ganzen Morgen gesucht.«
    Aldo war plötzlich nicht mehr ansprechbar. Ob das an dem Ärger lag, den ich ihm gemacht hatte, oder an etwas anderem, wußte ich nicht zu sagen. Es war, als wollte er um keinen Preis mit mir allein sein.
    »Wenn Cesare kommt, tu bitte

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