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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Ich war erfüllt von wilder Verzweiflung.
    »Wo bringen Sie mich hin?« fragte ich.
    »Zum Hafen«, antwortete er, »zu einem Fischer, einem früheren Partisanen. Er heißt Marco. Sie gehen an Bord seines Bootes, und er wird Sie, in einem Tag oder so, weiter oben an der Küste an Land setzen, vielleicht in Venedig. Sie brauchen sich den Kopf nicht zu zerbrechen. Er wartet noch auf nähere Instruktionen von Aldo.«
    Diese Instruktionen, sagte ich mir, hingen sicher davon ab, was bei der Polizei durchsickerte. Ob sich eine gewisse Fährte verwischt hatte … Ob ein Reiseleiter namens Armino Fabbio erfolgreich spurlos verschwunden war …
    Die runde Bucht lag blau und ruhig da, und der große Strand, weiß wie das Innere einer Austernmuschel, war schon mit den Silhouetten früher Touristen gesprenkelt. Die Badehütten wurden, Reihe um Reihe, neu gestrichen für die Saison. Es war nur noch eine Woche bis Ostern. Die weiche, feuchte Luft roch penetrant nach Meer.
    Rechts war der Kanal. »Wir sind da«, sagte Cesare.
    Er fuhr bei einem Café am Wasser vor, nahe der Stelle, wo die Fischerboote verankert lagen. An einem Tisch saß ein Mann in verschossenen Jeans, dunkelbraun gebrannt von Sonne und See. Er hatte einen Drink vor sich stehen und rauchte eine Zigarette. Als er den Ferrari erblickte, sprang er auf und kam zu uns herüber. Wir stiegen aus, und Cesare reichte mir Mantel und Hut und Koffer.
    »Dies ist Armino«, stellte er vor, »der Kommandant läßt schön grüßen.«
    Der Fischer Marco streckte mir eine riesige Hand entgegen und schüttelte die meine.
    »Sehr herzlich willkommen«, sagte er, »ich freue mich, daß Sie zu mir aufs Boot kommen. Würden Sie mir bitte Ihren Mantel und Ihren Koffer geben. Wir wollen gleich los. Ich habe nur auf Sie und auf meinen Maschinisten gewartet. Lassen Sie uns inzwischen noch einen trinken!«
    Nie zuvor, nicht einmal als Kind, hatte ich mich so vollkommen einem Schicksal ausgeliefert gefühlt, auf das ich selbst ohne jeden Einfluß war. Ich kam mir vor wie ein Gepäckstück, das auf den Kai geworfen wird, bis es ein Kran in den Laderaum eines Schiffes schleudert. Ich glaube, ich tat Cesare leid.
    »Sie werden sich besser fühlen, sobald Sie erst auf See sind«, sagte er. »Möchten Sie Aldo vor Ihrer Abreise noch etwas bestellen?«
    Was sollte ich Aldo bestellen, außer dem, das er ohnehin wußte, daß ich nämlich das, was ich tat, für ihn tat.
    »Bestellen Sie ihm«, sagte ich, »daß, noch bevor die Stolzen nackt dastanden und die Hochmütigen vergewaltigt waren, die Verleumderin zum Schweigen gebracht wurde und starb an ihrem eigenen Gift.«
    Meine Worte sagten Cesare nichts. Es war sein Gefährte gewesen, Frederico, der sich mit der Geschichte des deutschen Gelehrten befasst hatte.
    »Auf Wiedersehn«, sagte Cesare, »und alles Gute!«
    Er kletterte wieder in den Wagen und war im nächsten Augenblick verschwunden.
    Der Fischer Marco musterte mich neugierig. Dann fragte er, was ich trinken wolle. Ich sagte, ein Bier.
    »Sie sind also der jüngere Bruder des Kommandanten?« fragte er. »Sie ähneln ihm kein bißchen.«
    »Leider nicht«, erwiderte ich.
    »Er ist ein großartiger Mann«, fuhr Marco fort. »Wir kämpften zusammen in den Hügeln gegen den gleichen Feind, und wir kamen beide davon. Und wenn er heute von seinem Kunstrummel genug hat und Abwechslung braucht, setzt er sich mit mir in Verbindung und kommt mit auf See.« Er lächelte und bot mir eine Zigarette an.
    »Der Seewind bläst allen Staub weg«, sagte er, »und alle Sorgen und allen Ärger des Lebens in der Stadt. Sie werden das auch noch feststellen. Als Ihr Bruder im letzten November herkam, sah er aus wie ein schwerkranker Mann. Fünf Tage draußen – und er war wieder auf Deck.«
    Der Kellner brachte mein Bier, und ich prostete Marco zu.
    »War das kurz nach seinem Geburtstag?« fragte ich.
    »Geburtstag? Von Geburtstag hat er nichts gesagt. Es muß etwa in der dritten Novemberwoche gewesen sein. ›Ich habe einen Schock bekommen, Marco‹, sagte er zu mir. ›Stell mir bitte keine Fragen. Ich bin gekommen, weil ich die Geschichte vergessen will‹. Rein gesundheitlich fehlte ihm übrigens gar nichts. Er war genau so in Form wie früher und arbeitete mit der Mannschaft um die Wette. Ihm muß irgend etwas auf der Seele gelegen haben. Vielleicht war eine Frau im Spiel.« Er hob sein Glas und prostete zurück: »Auf Ihre Gesundheit«, sagte er, »und daß auch Sie Ihren Kummer auf See vergessen!«
    Ich

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