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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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sprach, wohl – zufällig oder bewußt – das Thema der anonymen Telefonanrufe anschneiden würde? Und dann, mit einem Mal, war mir alles klar. Die Frau, die angerufen hatte, war Marta gewesen. Deshalb hatte sie sich nach Rom aufgemacht. Marta hatte Wochen und Monate vor sich hin gebrütet, nachdem Aldo sie in der Nacht des Geburtstagsdinners entlassen hatte. Und sie hatte vielleicht geahnt, daß Aldos Beziehungen zur Signora noch enger geworden waren, daß sich die beiden noch öfter sahen, daß Aldo womöglich Livias Geliebter geworden war, seit der Präsident in Rom im Krankenhaus lag.
    Marta fühlte sich zurückgestoßen mit all ihrer Liebe und Treue. Marta hatte durch ihr übermäßiges Trinken jeden Halt verloren. Marta wollte sich an Aldo rächen, indem sie ihn an den Präsidenten verriet.
    Ich setzte den Silbernapf auf den Tisch und stellte mich, unter dem Vogelbauer, vors Fenster. Die Anrufe waren seit mehr als einer Woche ausgeblieben, hatte mir der Präsident gesagt. Sie hatten aus gutem Grunde aufgehört. Die Anruferin war tot, und, zum ersten Mal seit den vergangenen zehn Tagen, war ich froh, daß sie tot war.
    Die Marta, die in Rom gestorben war, hatte nichts mit der Marta zu tun, die in meiner Erinnerung lebte. Durch den Alkohol war ihr warmes, gesundes Blut vergiftet worden. Und wie ein krankes Tier hatte sie, kurz vor ihrem Ende, ihren Herrn in die Hand gebissen. Jene letzte Reise nach Rom war eine Reise in einen Tod gewesen, der schon auf sie gewartet hatte.
    In gewissem Sinn war ihr Tod eine Sühne. Die Verleumderin war zum Schweigen gebracht worden, die Schlange war gestorben an ihrem eigenen Gift … Warum mußte ich plötzlich an die verrückten Maximen des Falken denken, die der deutsche Gelehrte in seinem Buch über die ›Geschichte der Herzöge von Ruffano‹ zitierte?
    Die Stolzen sollten nackt dastehen, die Hochmütigen vergewaltigt, die Verleumder zum Schweigen gebracht werden …
    Mit einem letzten leidenschaftlichen Triller brach der Kanarienvogel seine Arie ab. Die winzige Kehle zitterte noch ein wenig …
    »Jacopo«, sagte ich langsam, »wann war mein Bruder das letzte Mal in Rom?«
    Jacopo stellte das frisch geputzte Silber gerade auf ein Tablett, um es in Aldos Wohnung hinüberzutragen.
    »In Rom, Signor Beo?« Er überlegte. »Lassen Sie mich nachrechnen … Ja, vorletzten Sonntag. Kommenden Sonntag, also Palmsonntag, ist es genau zwei Wochen her. Er fuhr am Freitag los. Er wollte sich irgendwelche Manuskripte in der Vatikanischen Bibliothek ansehen. Dienstag nacht fuhr er zurück. Er fährt gern die Nacht durch. Mittwoch früh war er genau zum Frühstück wieder hier.«
    Damit machte sich Jacopo mit seinem Tablett auf den Weg zu Aldos Wohnung. Die Türen ließ er offen.
    Ich setzte mich auf einen Küchenstuhl und starrte vor mich hin. Es war denkbar, daß Aldo Marta getötet hatte. Er konnte genau so wie wir in unserem Autobus an der Kirche vorbeigekommen sein und die zusammengekauerte Gestalt unter dem Portal erkannt haben. Er konnte ausgestiegen sein und sie angesprochen haben. Sie mochte ihm vielleicht, betrunken und verzweifelt, wie sie war, gestanden haben, was sie versucht hatte, ihm anzutun. Er konnte sie getötet haben. Das Messer fiel mir ein, das gestern abend im Palazzo Ducale unversehens aus seinem Ärmel geglitten war und mit dem er die Fesseln des Studenten Marelli durchschnitten hatte. Ja, Aldo konnte Martas Mörder sein.
    Unter dem Küchenfenster hörte ich Schritte. Sie zögerten vor dem Doppeleingang und strebten auf Jacopos Tür zu.
    »Armino?« fragte eine junge Stimme von der Schwelle her. Es war der Student Cesare. Er trug meinen hellen Mantel und hatte meinen Koffer in der Hand.
    »Ich bringe Ihre Sachen aus der Pension«, erklärte er. »Giorgio und Domenico haben Signora Silvana im Wohnzimmer festgehalten und sie zum Schein um einen Beitrag für den Universitätsfonds angebettelt. Sie hatte keine Ahnung, daß ich inzwischen nach oben ging und Ihr Zeug zusammenpackte, was keine fünf Minuten dauerte. Ich bin gekommen, um Sie aus der Stadt herauszubringen.«
    Ich sah ihn stumpfsinnig an. Ich begriff den Sinn seiner Worte nicht. Warum sollte ich aus Ruffano heraus? Ich war völlig benommen von den Überlegungen, die ich in den letzten Minuten und Augenblicken angestellt hatte.
    »Tut mir leid«, sagte Cesare, »aber Aldo will es so. Er hat heute morgen alles arrangiert. Wenn wir Sie eher gefunden hätten, wären Sie schon weg.«
    »Ich denke, ich

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