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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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sollte die Rolle des Falken übernehmen?« sagte ich.
    »Davon ist jetzt nicht mehr die Rede«, antwortete er. »Ich habe Order, Sie nach Fano zu fahren und Sie dort an Bord eines Fischerbootes zu bringen. Die Sache ist fest abgesprochen. Irgendwelche Gründe hat Aldo nicht genannt.«
    Mein Bruder hatte schnell gearbeitet. Ob er schon gestern abend, nach unserem abrupten Abschied, zu seinem Entschluß gekommen war oder erst später, ahnte ich nicht, und Cesare offenbar auch nicht. Vielleicht war das auch nicht wichtig. Vielleicht war gar nichts mehr wichtig. Außer der Erkenntnis, daß Aldo mich los sein wollte.
    »Gut«, sagte ich, »ich bin fertig.«
    Ich stand auf, und er reichte mir Hut und Mantel. Während ich ihm nach draußen folgte, kam Jacopo mit dem leeren Tablett durch den Doppeleingang. Er nickte Cesare zu und sagte guten Tag.
    »Ich muß weg, Jacopo«, sagte ich. »Habe eben Befehl bekommen.«
    Jacopos Gesicht war undurchdringlich.
    »Sie werden uns fehlen, Signor Beo«, sagte er.
    Ich schüttelte ihm die Hand, und er verschwand in seinem Bau.
    Der Ferrari war in der Via del Sogni geparkt. Cesare öffnete den Schlag und warf den Koffer in den Fond. Dann schob ich mich auf den Beifahrersitz, während Cesare das Steuer übernahm. An der Kirche San Donato vorbei fuhr er über die Via delle Mura aus der Stadt hinaus und weiter in Richtung Fano.
    Zum zweiten Mal in zwanzig Jahren mußte ich meine Heimatstadt verlassen. Zwar schwenkte ich nicht wie damals eine feindliche Flagge, zwar fütterte meine Mutter ihren Eroberer diesmal nicht mit Trauben, während ich aus dem Fenster starrte – aber ein Flüchtling war ich wie damals. Ich lief davon vor einem Verbrechen, das ich nicht begangen hatte, und vielleicht lief ich – das wußte nur der Himmel – in Stellvertretung meines Bruders Aldo davon.
    Darum meine Verbannung, darum die Flucht nach Fano? Ich sollte wohl eine falsche Fährte erzwingen, die wegführte von Ruffano, weg von Aldo. Ruffano lag nun für immer hinter mir, versteckt hinter den Hügeln, die die Stadt umringten. Ich blickte die Straße hinauf und linkerhand über die Felder, auf denen die Getreideschößlinge in raschem Wachstum sprossen und die safranfarben waren wie das Gewand des Falken. Rechterhand lief der Fluss neben uns her und leistete uns Gesellschaft, bis er sich, blaugrün und klar, in die Adria ergießen würde, deren Küsten schon in der Aprilsonne kochten.
    Je mehr wir uns Fano näherten, um so stärker überkamen mich Mutlosigkeit, Empörung und das Gefühl, ganz und gar verlassen zu sein.
    »Cesare«, fragte ich, »warum folgen Sie Aldo? Warum glauben Sie an ihn?«
    »Es gibt sonst niemanden, dem wir folgen könnten«, sagte Cesare, »Giorgio, Romano, Domenico, ich und die anderen. Er spricht eine Sprache, die wir verstehen. Das hat vor ihm niemand geschafft. Wir waren Waisen, und er hat uns gesucht und gefunden.«
    »Wie hat er euch gefunden?«
    »Er hat, mit Hilfe seiner alten Kameraden, die Partisanen waren, überall Erkundigungen eingezogen. Dann sorgte er dafür, daß wir durch den Universitätsrat Stipendien bekamen. Nicht nur wir, auch andere, die vor uns da waren und inzwischen die Examen gemacht haben. Auch sie haben ihm das Studium und alles zu verdanken.«
    Ich wußte: Mein Bruder hatte es für mich getan. Er hatte es getan, weil er mich tot glaubte. Nun, da er erfahren hatte, daß ich am Leben war, schickte er mich fort.
    »Aber wenn er so viele Jahre lang für die Universität gearbeitet und sich für Studenten eingesetzt hat wie euch, die ihr Studium allein nicht finanzieren konnten«, fragte ich weiter, »warum will er jetzt alles wieder zerstören, indem er eine Fakultät gegen die andere aufhetzt und diese raffinierten Streiche inszeniert, deren letzter, gestern nacht, bedauerlicherweise mit Marellis Tod endete?«
    »Streiche nennen Sie das?« sagte Cesare. »Wir sprechen nicht von Streichen, und Professor Elia oder Professor Rizzio würden das auch nicht tun. Sie haben Bescheidenheit gelernt. Und was Marelli betrifft, so ist er nur daran gestorben, daß er den Kopf verloren hat. Wer versucht, sein Leben zu gewinnen, der wird es verlieren.«
    »Ja«, sagte ich, »so ähnlich steht es in der Bibel, aber damit ist etwas anderes gemeint.«
    »Tatsächlich?« sagte Cesare. »Wir finden das nicht und Aldo auch nicht.«
    Wir näherten uns dem Stadtrand von Fano. Gleichgültige Häuser, trist und unpersönlich wie Keksbüchsen, machten sich in der Landschaft breit.

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