Das Geheimnis des Falken
von Fußgängern wimmelte. Die meisten waren Touristen, die genau so ziellos dahinschlenderten wie ich, sich die Schaufenster besahen und zu den Vergnügungen des Strandlebens vor der Stadt pilgerten.
Plötzlich vernahm ich anhaltendes Gehupe. Zwei Vespas hielten dicht neben mir am Bürgersteig, und eine Mädchenstimme rief: »Arminol.« Ich drehte mich um, erblickte Caterina und Paolo Pasquale, sie auf dem Soziussitz. Hinter ihnen kamen Gino und Mario, zwei der Studenten aus der Pension Silvana.
»Jetzt haben wir Sie!« rief Caterina. »Und diesmal kommen Sie uns nicht wieder davon. Wir wissen alles über Sie, wie Sie sich nach oben auf Ihr Zimmer geschlichen und Ihre Sachen geholt haben und auf und davon gegangen sind, ohne Signora Silvana zu bezahlen, was Sie ihr schuldig sind.«
Sie stiegen alle vier ab und umringten mich.
»Hören Sie«, sagte ich, »ich kann Ihnen das alles erklären …«
»Sie täten gut daran!« unterbrach mich Paolo. »Das ist keine Art, mit den Silvanas umzugehen. Wir lassen es nicht zu! Geben Sie sofort das Geld, oder wir bringen Sie auf die Polizei!«
»Ich habe das Geld nicht«, sagte ich. »Ich habe nicht einmal zweitausend Lire in der Tasche, nur ein bißchen Kleingeld.«
Wir blockierten die Straße. Ein Autofahrer schrie die Studenten aus dem Wagen an.
Paolo wandte sich an Caterina: »Komm uns nach ins Café Rossini«, sagte er. »Armino kann hinter mir auf die Vespa steigen. Im Rossini werden wir die Wahrheit aus ihm herausbringen. Gino und Mario, Ihr fahrt hinterher und paßt auf, daß er keinen Unsinn macht.«
Mir blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Irgendwelche Proteste hätten die Sache nur noch schlimmer gemacht. So kletterte ich achselzuckend auf den Soziussitz.
Wir rasten quer durch den dichtesten Verkehr zur Piazza del Popolo und stoppten neben den Kolonnaden unterhalb des herzoglichen Palastes von Pesaro.
Nachdem die Vespas geparkt waren, wurde ich, unter Anführung Paolos und von Gino und Mario eskortiert, in eine kleine Café-Bar ein paar Meter weiter dirigiert.
Paolo deutete auf einen Fenstertisch:
»Hier sitzen wir gut«, sagte er. »Caterina wird sicher auch gleich da sein.«
Er bestellte für alle Bier, auch für mich.
Als der Kellner weg war, drehte er sich zu mir um und sah mich an, die Arme auf dem Tisch gekreuzt. »Also, was haben Sie vorzubringen?« fragte er.
»Ich werde von der Polizei gesucht«, sagte ich. »Ich mußte flüchten.«
Die drei Studenten tauschten Blicke aus.
»Genau das hat sich Signora Silvana gedacht!« platzte Gino los, »heute morgen hat jemand Auskünfte über Sie eingeholt, ohne irgendwelche Gründe anzugeben. Er sah aus wie ein Polizeimensch in Zivil.«
»Ich weiß. Ich habe ihn erkannt«, sagte ich. »Darum bin ich davongelaufen, und darum konnte ich das Geld nicht vom Sekretariat holen und auch Signora Silvana nicht bezahlen. An meiner Stelle hätten Sie genau dasselbe getan.«
Die drei starrten mich an, während der Kellner uns das Bier servierte.
»Was haben Sie angestellt?« fragte Paolo schließlich.
»Nichts«, antwortete ich, »aber der Augenschein spricht gegen mich. Es sieht mir ganz so aus, als ob ich die Prügel für jemand anders einstecke, und wenn das zutrifft, werde ich sie weiter einstecken. Der andere ist nämlich zufällig mein Bruder.«
Indessen stürmte atemlos und mit zerzausten Haaren Caterina ins Café, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich zwischen mich und Paolo.
»Was ist passiert?« fragte sie.
Paolo erklärte, und nun war es Caterina, die mich anstarrte.
»Ich glaube ihm«, sagte sie nach kurzem Zögern. »Wir kennen ihn immerhin seit einer Woche. Er ist nicht der Typ, der davonläuft, wenn er keine guten Gründe hat. Hängt die Sache vielleicht mit der Reiseagentur zusammen, für die Sie gearbeitet haben, bevor Sie nach Ruffano kamen?«
»Ja«, sagte ich, was, um drei Ecken herum, nicht einmal gelogen war.
Mario, der bis jetzt geschwiegen hatte, beugte sich vor: »Warum sind Sie mit nur zweitausend Lire in der Tasche nach Pesaro gefahren?« fragte er. »Wie gedenken Sie von hier wieder wegzukommen?«
Sie waren nicht mehr unfreundlich oder mißtrauisch. Gino gab mir eine Zigarette. Ich schaute sie an und dachte, wie sichtlich sie doch zur gleichen Generation gehörten wie Cesare, Giorgio oder Domenico. Alle waren sie jung, unbeschriebene Blätter, und so sehr sie sich auch in ihren Ansichten und Zielen unterscheiden mochten, alle waren sie begierig auf Abenteuer,
Weitere Kostenlose Bücher