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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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begierig, etwas zu erleben.
    »In den letzten paar Stunden bin ich gar nicht zum Nachdenken gekommen«, sagte ich. »Aber inzwischen ist mir klar geworden, daß es ein Fehler war, Ruffano zu verlassen. Ich möchte zurück. Ich wollte den Bus um halb sechs nehmen.«
    Sie blickten mich forschend an, während sie schweigend von ihrem Bier tranken. Sie waren offenbar verwirrt.
    »Warum zurück?« fragte Paolo. »Werden Sie dann nicht von der Polizei geschnappt?«
    »Vielleicht«, sagte ich. »Aber ich habe keine Angst mehr. Fragen Sie bitte nicht, warum das so ist.«
    Sie lachten nicht. Sie machten sich nicht über mich lustig. Sie nahmen mein Bekenntnis genau so ernst, wie Cesare oder Domenico es getan hätten.
    »Ich kann Ihnen diese Geschichte im einzelnen nicht auseinandersetzen«, sagte ich. »Aber mein Bruder lebt, unter einem anderen Namen, in Ruffano. Wenn er getan hat, was ich glaube, dann ist es um der Familienehre willen geschehen. Ich muß das wieder in die Reihe bringen, ich muß ihn sprechen.«
    Sie verstanden und stellten keine Fragen. In ihren Gesichtern war Anteilnahme zu lesen.
    Impulsiv legte Caterina die Hand auf meinen Arm. »Das leuchtet ein«, sagte sie, »jedenfalls mir. Wenn ich einer Tat verdächtigt würde, von der ich glaube, daß Paolo sie begangen hat, würde ich, selbst wenn ich die Schuld auf mich nehmen sollte, seine Beweggründe wissen wollen. Unter Menschen des gleichen Blutes muß völlige Offenheit herrschen. Paolo und ich sind Zwillinge. Vielleicht stehen wir uns deshalb so besonders nahe.«
    »Man ist nicht nur durch das Blut verbunden«, sagte Gino, »auch Freundschaft bindet. Ich könnte etwas auf mich nehmen, was Mario getan hat, aber auch ich würde wissen wollen, warum er es getan hat.«
    »Geht es Ihnen mit Ihrem Bruder genau so?« fragte Caterina.
    »Ja«, sagte ich, »genau so.«
    Sie tranken ihr Bier und steckten sich Zigaretten an. Dann sagte Paolo: »Wir werden sehen, daß Signora Silvana zu ihrem Geld kommt. Das alles ist jetzt nicht mehr so wichtig. Vor allem müssen wir nach Ruffano kommen und der Polizei dabei ein Schnippchen schlagen. Wir werden Ihnen helfen. Aber zuvor müssen wir einen Plan machen.«
    Ihre Hilfsbereitschaft rührte mich. Warum schenkten sie mir Glauben? Es gab eigentlich keinen Grund dafür, so wenig wie Carla Raspa einen Grund gehabt hatte, mir zu erlauben, daß ich mich in ihrer Wohnung versteckte. Ich hätte ein Mörder sein können. Doch sie glaubte mir. Ich hätte ein ganz gemeiner Betrüger sein können, aber diese Studenten vertrauten mir.
    »Ich hab's«, sagte Caterina plötzlich, »das Festival! Wir verkleiden Armino als einen der Aufständischen, und ich wette, daß kein Polizist ihn aus einer Menge von zweitausend Studenten herauskennt.«
    »Wie denn verkleiden?« fragte Gino. »Ihr wisst doch, daß Donati gesagt hat, wir sollten einfach so ans Festival kommen, wie wir sind und keine Umstände machen.«
    »Eben!« sagte Caterina, »in Hemden, in Jeans, in Pullovern, aber seht euch Armino doch an! Solider Anzug, weißes Hemd, die Schuhe. Er ist ganz und gar wie ein Reiseleiter aufgemacht. Mit einem anderen Haarschnitt und einem bunten Hemd und Jeans wird er sich nicht einmal selbst erkennen.«
    »Caterina hat recht«, entschied Paolo. »Erst wollen wir ihn mal zum nächsten Friseur schleppen und ihm einen Bürstenschnitt verpassen lassen. Und dann suchen wir ihm auf dem Markt etwas zum Anziehen. Die Kosten teilen wir. Nein, lassen Sie, Armino, behalten Sie Ihre zweitausend Lire! Die werden Sie vielleicht noch dringend brauchen.«
    Ich wurde zur Marionette in ihren Händen. Paolo bezahlte das Bier, und sie schleppten mich zu einem Barbier in der Via Rossini, der mich aus dem, was ich bisher vorzustellen glaubte, nämlich einen eleganten Vertreter der ›Sonnenreisen, Genua‹, in einen schäbigen Jazzfan verwandelte. Die Verwandlung vollendete sich, als sie mich in einen Minipreisladen führten, wo ich mich hinter einem Warenständer meines guten Anzugs entledigte – der andere war im Koffer an Bord der ›Garibaldi‹ – und ein paar schwarze Jeans mit Ledergürtel, ein jadegrünes Hemd, eine Kunstlederjacke und ein paar Turnschuhe anzog. Meine eigenen Sachen wurden zu einem Paket verschnürt und Caterina ausgehändigt, die erklärte, das ganze Zeug sei schrecklich, und sie werde ihr Bestes tun, um es zu verlieren.
    Dann wurde ich vor einen Spiegel gestellt und begann – es lag hauptsächlich wohl am Haarschnitt – ernstlich zu

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