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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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und seine Frau, Signora Donati, erinnern sie sich noch an die beiden? Und an Aldo, als er fünfzehn wurde, und an Beo, den kleinen Beato, der so winzig war für sein Alter, daß man ihn für vier hielt, anstatt für sieben? Hier ist er. Er sitzt vor Ihnen. Immer noch klein und unscheinbar.«
    Aber ich unterdrückte den jähen Impuls und trank meinen Kaffee. Signor Longhi fuhr fort, das Gästebuch zu durchblättern, wobei er die Zeiten der Schande überschlug, wie ich bemerkte. Schließlich kam er in die fünfziger und sechziger Jahre. Da gab es keine Minister mehr und keine Filmstars. Da waren die Seiten mit den Namen von Hunderten von Touristen bedeckt, von Durchreisenden aus England und Amerika, aus Deutschland und der Schweiz, die kamen und gingen, der gleiche Typ, den ich auf den ›Sonnenreisen‹ unter meine Fittiche zu nehmen hatte.
    »Manchmal schicken sie mir Ansichtskarten, wenn sie wieder zu Hause sind«, erzählte der alte Mann. »Meistens die Amerikaner. Die Engländer machen lieber Gedichte.« Begeistert wies er auf einen Vers, der links auf eine Seite gekritzelt war:
    »Wir kamen per Zufall
und wollten gleich weiter
wieder fort aus dem Duchi-Hotel.
Doch der Wirt, Signor Longhi,
war so gastfrei, so heiter,
und dann verflog uns die Zeit viel zu schnell.
Jack und Eddie, Southport, England.«
    Hinter dem Paravent rief eine krächzende Stimme nach dem Signore. Mit Lockenwicklern im Haar kam die Padrona zum Vorschein. »Du denkst wohl, ich passe sogar im Morgenrock noch auf die Arbeiter auf«, schrie sie ihn an. »Lass den Herrn mit deinem Getratsche in Frieden und sieh dich um!«
    Mein alter Freund bat mich, ihn zu entschuldigen. »Schauen Sie sich das Buch ruhig noch ein wenig an, wenn es Ihnen Spaß macht«, sagte er. »Ich möchte nur bitten, daß Sie es ins Regal zurückstellen, wenn Sie damit durch sind.« Damit humpelte er davon, um den Befehlen seiner Ehefrau nachzukommen.
    Ich spähte beklommen zum Wandschirm hinüber und blätterte dann bis zum Jahr '44 zurück. Da war sie, kühn hingeworfen und mit einem Schnörkel versehen, die Unterschrift des Kommandanten, dazu das Datum, an dem er das Hotel zu seinem Hauptquartier gemacht hatte. Der Rest der Seite war weiß. Die Longhis hatten sich nach Ancona verzogen. Ich schlug das Buch zu und trug es zum Schrank zurück. Dort war der richtige Platz für Andenken aus längst vergangenen Tagen. Ich wußte den Kommandanten lieber hinter Schloß und Riegel, mit seinem arroganten Gang und der herrischen Stimme, die schnell, verdächtig schnell in einen kehligen, rührseligen Ton verfallen konnte.
    Wäre er nicht gewesen, hätte er nicht seine symbolträchtige Rolle im Leben meiner Mutter gespielt – der besiegte Sieger, die Feder an ihrem Hut – wären wir vielleicht mit den Longhis nach Ancona gegangen. Es war die Rede davon gewesen, denn mein Vater war ja schon gestorben, im Gefangenenlager, und Aldo im brennenden Flugzeug abgestürzt. Und dann … Sinnlose Spekulationen! Dann hätte sie sich irgendwo am Meer eben irgendeinen anderen Liebhaber aufgegriffen und wäre mit dem, ihren ›Beato‹ im Schlepptau, in der Welt herumzigeunert.
    »Sind Sie fertig?«
    Ich wandte mich um. Herr Turtmann und Frau standen in der Tür, in dicken Mänteln, gestiefelt und mit ihrem Fotozubehör behängt.
    »Ich stehe zur Verfügung, Herr Turtmann.«
    Sie wollten die Rechnung bezahlt und das Gepäck in den Wagen verstaut haben, den Palazzo besichtigen und dann nordwärts fahren, nach Ravenna, nach Ferrara und weiter.
    »Ich kann für den Straßenzustand keine Garantie übernehmen«, sagte ich, »nicht bei all dem Schnee, der gestern gefallen ist.«
    »Die Straßen sind in Ordnung«, sagte er, »wir haben den Bericht über unseren Transistor gehört. Im übrigen haben wir hier nichts mehr verloren, sobald wir erst einmal den Palazzo gesehen haben. Wir wollen weiter und lassen es eben einfach drauf ankommen.«
    Ich half ihnen beim Verladen des Gepäcks, und dann gab mir Herr Turtmann das Geld für die Rechnung. Signora Longhi hatte sich inzwischen angezogen. Zwischen ihren Lippen hing die unvermeidliche Zigarette. Sie zählte die Scheine, gab das Wechselgeld heraus und gähnte. Wenn meine Mutter nicht 1956 an Unterleibskrebs gestorben wäre, würde sie heute wohl aussehen wie Rosa Longhi. Auch meine Mutter war in die Breite gegangen. Auch ihr Haar war gefärbt gewesen. Und sie pflegte – entweder aus Enttäuschung oder unter dem Einfluß ihrer Krankheit – mit meinem

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