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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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fotografiert haben. Auf diese Art gewinnen wir Zeit für Ravenna.«
    »Sie haben zu entscheiden«, sagte ich.
    Damit kletterten wir in den Wagen, ich setzte mich wie am Vortag ans Steuer.
    Über die Piazza Maggiore fuhren wir abwärts zur Piazza Matrice. Dann durch das Stadtzentrum wieder hügelaufwärts zur Piazza Carlo. Erst jetzt wurde mir klar, warum das Hotel der Longhis an Zuspruch so verloren hatte. Das ›Panoramica‹, das neue Haus mit Blick auf Stadt und Landschaft, mit farbenprächtigen Balkonen, Rasenhängen und natürlich Orangenbäumchen, lieferte den Touristen eben weit mehr ›Atmosphäre‹ als das arme alte ›Hotel del Duchi‹.
    »Ha!« sagte Herr Turtmann. »Sieh mal, dort hätten wir logieren sollen!« Und ärgerlich wandte er sich nach mir um.
    »Zu spät, mein Freund, zu spät«, murmelte ich in meiner Muttersprache.
    »Wie bitte? Was sagen Sie da?«
    »Das Hotel Panoramica macht erst zu Ostern auf«, erläuterte ich friedlich und parkte den Wagen. Sie stiegen aus, mitsamt dem unvermeidlichen Fotozubehör, um das Standbild des Herzogs Carlo nebst Umgebung zu knipsen.
    Hier fanden früher die obligaten Sonntagsspaziergänge statt. Hier pflegten die Honoratioren mit ihren Ehefrauen, ihren Kindern, ihren Hunden zu spazieren, hin und her über das Plateau, das säuberlich mit Bäumen und Gesträuch bestückt war und sommers mit Teppichbeeten. Hier zumindest waren neue Häuser aufgeschossen, und das Waisenheim, das einst in nackter Hässlichkeit für sich allein gestanden hatte, fand sich inzwischen von eleganten Neubauten umzingelt. Dies war, soviel ich sah, das reiche Viertel von Ruffano, das moderne Gegenstück zu dem historisch berühmteren Hügel im Süden.
    Ich kletterte gerade mit meinem Köfferchen aus dem Volkswagen, als sich die Turtmanns nach ihrer Morgenpirsch dem Auto bereits wieder näherten.
    »Und dies, Herr Turtmann«, sagte ich und streckte ihm die Hand hin, »ist der Augenblick, in dem ich Ihnen Adieu sage. Über die Straße, die rechts aus der Piazza Carlo hinausführt, gelangen Sie zur Porta di Malebranche, und damit sind Sie auf dem rechten Weg nach Norden. Die schnellste Straße nach Ravenna ist die Küstenstraße.«
    Turtmann und Frau starrten mich an. Herrn Turtmanns Lider flatterten hinter seiner goldgerahmten Brille.
    »Sie sind als Reiseleiter und Chauffeur für uns engagiert«, sagte er, »so war es abgemacht mit der Agentur in Rom.«
    »Ein Missverständnis«, erklärte ich und machte eine Verbeugung. »Ich erklärte mich lediglich bereit, Sie bis Ruffano zu begleiten und nicht weiter. Es tut mir leid, wenn Ihnen das Ungelegenheiten macht.«
    Etwas bewundere ich an den Deutschen: Sie wissen ganz genau, wann sie geschlagen sind. Wäre mein Kontrahent Italiener gewesen oder auch Franzose, hätte er eine Flut von Beschimpfungen auf mich losgelassen. Herr Turtmann dachte nicht daran. Er kniff den Mund zusammen, sah mich einen Augenblick lang an und befahl seiner Frau kurz und bündig, in den Wagen zu steigen.
    »Wie Sie wünschen«, sagte er, »ich habe Ihr gesamtes Honorar vorweg bezahlt. Dann muß mir das römische Büro die Differenz erstatten.«
    Er knallte die Autotür zu und trat auf den Anlasser. Im nächsten Augenblick stob der Wagen über die Piazza Carlo und war außer Sicht, verschwunden aus meinem Leben. Ich hatte aufgehört, ein Reiseleiter zu sein, und drehte dem guten Herzog Carlo den Rücken, der hoch über mir auf seinem Piedestal stand.
    Ich blickte nach Süden, zum gegenüberliegenden Hügel hin. Der herzogliche Palast der Malebranche mit seinen Zwillingstürmen, die nach Westen schauten, schmückte den Hügel wie eine Krone.
    Langsam machte ich mich auf den Weg zur Stadt.

5. Kapitel
    Zur Mittagszeit macht die Piazza Matrice, die Hauptpiazza, ihrem Namen Ehre. Die Frauen haben um diese Stunde ihre Einkäufe erledigt und sind fast alle nach Hause gegangen, um zu kochen. Die Männer beherrschen das Feld.
    Sie standen in hellen Scharen herum, als ich kam. Ladenbesitzer, Büroangestellte, Müßiggänger, Geschäftsleute. Fast alle schwatzten und klatschten, nur einige wenige lungerten schweigend herum und schauten zu. So war es üblich, so war es immer gewesen. Ein Durchreisender würde sie für Mitglieder irgendeiner Organisation gehalten haben, die im Begriff war, sich der Stadt zu bemächtigen. Er wäre im Irrtum gewesen. Diese Männer waren die Stadt. Dies war Ruffano.
    Ich kaufte eine Zeitung. Es war ein Lokalblatt, kein Ruffaneser Anzeiger

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