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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Ognissanti-Oratorium kam und warum ich mich dorthin begeben hatte.
    Ich entschuldigte mich bei Signorina Gatti: »Verzeihen Sie, aber ich wurde bei Signora Butali aufgehalten.«
    Sie fuhren fort, mich anzustarren. In Tonis Augen glomm ein Fünkchen Achtung auf und desgleichen in den Augen seiner Kollegen, während die Sekretärin kein Hehl aus ihrer Feindseligkeit machte. Im Winkel ihres dünnlippigen Mundes zuckte es sarkastisch.
    »So sieht es aus«, sagte sie.
    Die Assistenten behielten mich im Auge und warteten auf nähere Informationen.
    »Ja«, fuhr ich fort, »Signora Butali forderte mich auf, mit heraufzukommen ins Musikzimmer; sie wollte mir vorspielen. Ich sagte, ich wolle ihre Zeit nicht in Anspruch nehmen. Aber sie bestand darauf, und deshalb konnte ich nicht ablehnen.«
    »Sie scherzen wohl!« rief Toni aus.
    »Ich scherze keineswegs. Rufen Sie sie doch an und erkundigen Sie sich, wenn Sie mir nicht glauben!« Ich warf mich ein wenig in Positur, während ich an die Regale ging. Es schien mir notwendig, aus meinem Besuch im Haus des Präsidenten möglichst viel Kapital zu schlagen. Nicht, um auf meine Zuhörer Eindruck zu machen; es ging mir darum, jeden Gedanken an meine Verbindung mit der gaffenden Menge da draußen vor dem Oratorium auszuschalten.
    Meine letzte Bemerkung wurde mit respektvollem Schweigen quittiert. Ich machte mich indessen daran, die restlichen deutschen Bücher zu sortieren, aber diesmal ohne persönliches Interesse. Das Gesicht der toten Marta, das während der letzten drei Tage ins Dunkle zurückgeglitten war, tauchte wieder vor mir auf. Ich konnte es nicht mehr leugnen. Die Marta von einst würde mich niemals quälen. Aber das zusammengesunkene, betrunkene Geschöpf, das aus ihr geworden war – das quälte mich.
    Warum dieser saure, schale Geruch? Sie war immer so sauber, so peinlich gewesen und stets dabei zu waschen, zu bügeln, Wäsche zusammenzulegen und frisches Bettzeug in den Schrank zu packen. Nur zwei Menschen konnten mir Antwort auf meine Fragen geben, der Schuster und seine Schwester, unsere frühere Köchin. Sie würden etwas wissen. Sie konnten mir sicher endlos, mit allen schmutzigen Details, von einem Verfall berichten, der Jahre gedauert haben mochte.
    Keine Frage, daß wir die Schuld daran trugen: Meine Mutter in erster Linie, aber auch ich. Wir hätten schreiben können, als wir in Turin lebten. Ich hätte schreiben und Nachforschungen anstellen lassen können. Es wäre so einfach gewesen zu schreiben.
    Und auch später, von der Agentur in Genua aus, hätte ich mich mit Ruffano in Verbindung setzen, einen Telefonhörer in die Hand nehmen, Erkundigungen einziehen können. Ich hatte es nicht getan, und zwanzig Jahre waren vergangen. Marta mußte einfach zugrunde gehen während all dieser langen Jahre.
    Am Spätnachmittag läutete das Telefon. Signorina Gatti ging an den Apparat. Sie sprach ein paar Sekunden lang mit honigsüßer Stimme, dann legte sie auf.
    »Signor Fossi geht es immer noch nicht gut«, verkündete sie kurz angebunden, »er kommt heute nicht mehr und bittet uns, bis sieben weiterzumachen.«
    Toni protestierte.
    »Heute ist doch Sonnabend!« wandte er ein. »Sonnabends läßt Signor Fossi uns immer schon um sechs Uhr gehen.«
    »Mag sein«, erwiderte die Sekretärin, »aber das gilt nur für den Fall, daß er selbst hier ist und nach dem Rechten sieht. Heute ist es etwas anderes. Signor Fossi liegt zur Zeit zu Bett.«
    Sie widmete sich wieder ihrem Eintragungsbuch, während Toni – Schmerz vortäuschend – seine Hände auf den Bauch drückte.
    »Männer über vierzig«, murmelte er, »sollten ihren Appetit für physische Vergnügen zurückhalten.«
    »Männer unter dreiundzwanzig«, stellte die Sekretärin fest, »sollten etwas mehr Respekt für ihre Vorgesetzten aufbringen.«
    Sie hörte besser, und vielleicht schaltete sie auch schneller, als ich gedacht hatte.
    Wir machten uns wieder an die Arbeit und waren, glaube ich, alle vier bass erstaunt, als kurz vor sieben Uhr Giuseppe Fossis Krankheitsursache in der Bibliothek erschien. Sie trug ein rotes Kostüm, das ihr gut zu Gesicht stand, und in ihren Ohren glitzerten kleine goldene Ohrringe. Um die Schultern hatte sie einen dunklen Mantel drapiert.
    Indem sie der Sekretärin flüchtig zunickte und die beiden Assistenten ignorierte, schlenderte Carla Raspa durch den Raum und blieb vor mir stehen.
    »Hallo«, sagte sie.
    »Hallo«, grüßte ich zurück.
    »Wie geht es Ihnen?«
    »Mir geht es

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