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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Glücklicherweise ist es ihm wenigstens gelungen, etwas von den Möbeln seines Vaters aufzukaufen, die man nach der Befreiung veräußert hatte. Ich glaube, er war sehr stolz auf seinen Vater und sein Vater auf ihn. Die Geschichte der Familie ist eine regelrechte Tragödie.«
    »Ja«, sagte ich, »ja, ich habe davon gehört.«
    »Früher sprach er manchmal darüber«, sagte sie. »aber das tut er schon lange nicht mehr. Ich hoffe, daß er allmählich vergisst. Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit.«
    »Was ist aus seiner Mutter geworden?« fragte ich.
    »Das hat er nie herausbekommen. Sie verschwand mit den deutschen Truppen, die 1944 in Ruffano eingerückt waren, und kurz darauf kam es zu Kämpfen im Norden der Stadt. Höchstwahrscheinlich ist sie während des Bombardements getötet worden, sie und der Bruder.«
    »Er hatte einen Bruder?«
    »Ja. Das war damals ein kleiner Junge von zehn oder elf Jahren. Die beiden hatten sich sehr gern. Ich denke manchmal, daß es der Gedanke an diesen Bruder ist, der Professor Donati dazu treibt, sich soviel um die Studenten zu kümmern.«
    Wir waren an der Gartenmauer angelangt. Ich blickte verstohlen auf meine Uhr. Es war ungefähr elf Uhr fünfundzwanzig.
    »Vielen Dank, Signora«, sagte ich. »Es war sehr freundlich von Ihnen, mir zu erlauben, Sie nach Hause zu begleiten.«
    »Aber ich bitte Sie, der Dank ist doch ganz auf meiner Seite«, sagte sie.
    Die Hand auf der Gartenpforte, blieb sie noch einen Augenblick stehen: »Falls Sie Professor Donati gern persönlich kennenlernen möchten«, sagte sie, »will ich Sie sehr gern vorstellen.«
    Ein panischer Schrecken ergriff mich. »Vielen Dank, Signora«, stammelte ich, »aber ich möchte Ihnen in keiner Weise … bitte verzeihen Sie …«
    Mit einem Lächeln fiel sie mir ins Wort: »Sie machen mir überhaupt keine Mühe. Es ist so üblich, daß der Präsident jeden Sonntagmorgen ein paar Kollegen zum Aperitif bittet, und wenn er nicht da ist, tue ich das an seiner statt. Auch heute werden sicher zwei oder drei Leute kommen, und Professor Donati ist bestimmt dabei.«
    So hatte ich mir die Sache nicht gedacht. Ich wollte Aldo allein aufsuchen, in seiner Wohnung.
    Signora Butali deutete meinen Schrecken als Verlegenheit, als die Angst des Hilfsbibliothekars, aufdringlich zu wirken.
    »Nur keine Schüchternheit«, sagte sie. »Sie werden Eindruck machen: Wenn Sie morgen früh zur Arbeit gehen, können Sie Ihren Kollegen sagen, daß Sie bei mir eingeladen waren.«
    Sie kam nicht auf den Gedanken, daß ich das bereits getan hatte. Ich folgte ihr zur Haustür und suchte immer noch nach einem Vorwand, mich zu entschuldigen.
    »Anna wird mit dem Mittagessen zu tun haben«, sagte Signora Butali, »Sie können mir helfen, die Gläser bereitzustellen.«
    Sie öffnete die Tür zur Diele, ging voraus ins Esszimmer, das linker Hand lag, und öffnete die Flügeltür. Ich sah erstaunt auf den Esstisch, der steif genau in der Mitte stand. Er war für eine Person gedeckt. Ich mußte daran denken, in welcher Unordnung ich den Raum zurückgelassen hatte. Mein Park von Spielzeugwaren war über den ganzen Boden verstreut gewesen, nebst zwei Blechdosen, die als Garagen herhalten mußten.
    »Der Vermouth und der Campari stehen auf dem Büfett«, sagte Signora Butali, »und die Gläser sind auf dem Teewagen. Ob Sie den Wagen wohl in die Bibliothek fahren könnten?«
    Sie hatte alles schnell und zu ihrer Zufriedenheit angeordnet und legte gerade die Zigaretten bereit, als es klingelte.
    »Wahrscheinlich die Rizzios«, sagte sie, »gut, daß Sie da sind. Die Signorina ist heute so entsetzlich steif. Professor Rizzio leitet die Philosophische Fakultät, und seine Schwester ist verantwortlich für das Studentenheim.«
    Sie sah plötzlich sehr zart und verletzlich aus und jünger als ihre Jahre.
    Ich setzte mein Reiseleitergesicht auf und wartete neben dem Teewagen, bereit, auf ihren Wink hin Vermouth zu servieren.
    Sie ging selbst an die Tür, um die Besucher in Empfang zu nehmen. Ich konnte das Gemurmel der üblichen Komplimente hören. Dann nötigte sie ihre Gäste ins Zimmer. Sie waren beide im mittleren Alter, grauhaarig und hager. Er hatte den müden, gehetzten Ausdruck eines Menschen, der dauernd bis über beide Ohren in der Arbeit steckt, mit Stapeln von Eingängen auf einem Schreibtisch, der niemals leer wird. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie er Scharen von erschöpften Untergebenen am laufenden Band sinnlose Befehle zu bellte.
    Seine Schwester

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