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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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»Wenn ein junger Mann mit einer Art Schock nach Hause kommt – er wurde abgeschossen, er war Flieger und dann Gefangener bei den Alliierten – und hofft, seine Familie wieder zu finden, und erfährt, daß seine Mutter mit einem Deutschen auf und davon gegangen ist, dann pflegt das seine Sympathien für das andere Geschlecht nicht gerade zu steigern. Meiner Meinung nach hat er die Frauen damals abgeschrieben, ein für allemal.«
    »Aber nein«, sagte der Signore. »er hat sich inzwischen sicher besonnen. Damals war er schließlich ein blutjunger Mensch. Jetzt muß er an die vierzig sein. Lass ihm Zeit. Er wird schon eine Frau für sich entdecken, wenn er soweit ist.«
    Ich trank meinen Kaffee aus und stand auf.
    »Sie sehen müde aus«, sagte Signora Silvana voller Mitgefühl, »Sie müssen zuviel arbeiten in der Bibliothek. Aber lassen sie nur – morgen ist Sonntag. Da können Sie den ganzen Tag im Bett bleiben, wenn Ihnen danach zumute ist.«
    Ich bedankte mich und ging auf mein Zimmer. Mein Kopf war am Zerspringen. Ich warf meine Kleider ab und legte mich zu Bett.
    Aber der Schlaf stellte sich nicht ein. Nur Aldos Gesicht, im flackernden Licht des Cherubimzimmers, das blasse, unvergessliche Gesicht und die geliebte, die gefürchtete Stimme, die mir nie aus dem Sinn gekommen war.
    Nachdem ich mich zwei Stunden lang in den Kissen hin- und hergewälzt hatte, stand ich auf, öffnete das Fenster und rauchte eine Zigarette. Der letzte Nachtbummler hatte inzwischen nach Hause gefunden, und alles war still. Ich schaute die Straße hinunter und sah, daß die Läden in Nummer 5 offen standen wie die meinen. Eine Frau lag im Fenster, wach wie ich, eine Zigarette rauchend wie ich. Wenn ich nicht schlafen konnte – Carla Raspa konnte auch nicht schlafen. Und wir wachten aus dem gleichen Grund.
    Am nächsten Morgen weckten mich die Kirchenglocken aus dem unruhigen Schlaf, in den ich schließlich gefallen war. Der Dom, San Cipriano, die anderen.
    Es waren nicht die Stundenschläge, sondern die Glockenschläge, die zur Messe riefen … Ich lag im Bett und dachte daran, wie wir vier, mein Vater, meine Mutter, Aldo und ich, um zehn zur Hochmesse in San Cipriano gegangen waren. Das war in der Zeit kurz vor dem Krieg gewesen. Sonntäglich angezogen, machten wir uns auf dem Weg, Aldo strahlend in seiner Giovinezza-Uniform. Schon damals schauten ihn die Mädchen an. Und dann begann meine Leidensstunde vor dem Altarbild, vor der Auferstehung des Lazarus.
    Ich sprang aus dem Bett und riß die Läden weit auf, die ich am Abend wieder geschlossen hatte. Es regnete. Ganze Bäche schäumten in den Rinnsteinen. Ein paar Leute eilten, unter Regenschirme geduckt, vorbei. Drunten, im ersten Stock von Nummer 5, waren die Fensterläden fest verschlossen.
    Seit meiner Schuljungenzeit in Turin war ich nicht mehr zur Messe gewesen. Jedenfalls nicht aus eigener Initiative. Manchmal hatte ich eine Schar Touristen zu eskortieren, die auf Besichtigungen versessen waren, und dann stand ich, in der einen oder anderen Kirche, unter dem Hochaltar und mußte warten und schauen. Diesmal wollte ich aus freien Stücken gehen.
    Ich war erst halb angezogen, als es klopfte und Signora Silvana mit Brötchen und Kaffee ins Zimmer kam.
    »Bleiben Sie zu Hause«, sagte sie, »sehen Sie sich das Wetter an, es lohnt sich wahrhaftig nicht aufzustehen und in den strömenden Regen hinaus zu gehen.«
    Ich hatte mir jahrelang dasselbe gesagt, wenn ich einmal einen Sonntag frei hatte, ob der nun sonnig oder verregnet war. Es gab nichts in Turin oder in Genua, wofür das Aufstehen lohnte. Aber inzwischen hatte sich die Welt verändert.
    »Ich gehe zur Messe in San Cipriano«, sagte ich.
    Um ein Haar hätte sie das Tablett fallen lassen. Dann setzte sie es behutsam aufs Bett.
    »Erstaunlich«, sagte sie. »Ich habe mir eingebildet, daß kein Mensch mehr zur Messe geht, außer ganz alte Leute oder ganz junge. Ich freue mich, daß Sie das sagen. Gehen Sie regelmäßig?«
    »Nein«, sagte ich, »ich habe einen besonderen, persönlichen Anlass.«
    »Es ist Fastenzeit«, sagte sie, »ich finde, zur Fastenzeit sollten wir alle gehen.«
    »Für mich ist die Fastenzeit vorbei«, sagte ich, »ich gehe Auferstehung feiern.«
    »Sie täten besser daran, im Bett zu bleiben und Ostern abzuwarten«, belehrte sie mich.
    Ich trank meinen Kaffee und beendete meine Toilette. Mein Kopf war wieder klar, und meine Hände zitterten nicht mehr. Der Regen machte mir nichts aus. Der Tod der

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