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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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hatten und wie ich es immer noch sah?

12. Kapitel
    Als ich am nächsten Morgen zum Frühstück hinunterging, bereiteten mir die Studenten einen stürmischen Empfang. Sie standen kaffeetrinkend um den Tisch herum und tauschten den Klatsch vom letzten Tage aus. Als sie mich erblickten, brachen sie in lautes Geschrei aus. Mario, den ich vom ersten Abend her als den ungebärdigsten der Burschen in Erinnerung hatte, schwenkte sein Brot in der Luft herum und fragte, wie der diplomierte Herr Philologe denn sein Weekend verbracht habe.
    »Zunächst einmal«, erklärte ich, »haben wir in der Bibliothek nicht den halben Sonnabend frei. Ich habe bis nach sieben Uhr abends Bücher sortiert.«
    Ein halb ironisches, halb mitleidiges Aufstöhnen quittierte meine Bemerkung. Das machte mich unsicher.
    »Sklaven, alles Sklaven«, sagte Gino, »gefesselt an ein überlebtes System. Typisch für die Art und Weise, in der sie oben auf dem Hügel verfahren. Da hat unser Direktor Elia doch etwas mehr Einsicht. Er weiß, daß wir fünfeinhalb Tage lang mit aller Energie; arbeiten, und läßt uns dann für sechsunddreißig Stunden laufen und tun, was uns gefällt. Er selbst macht es genauso. Er hat eine Villa am Meer, wo er sich seinerseits den Staub Ruffanos von den Füßen schüttelt.«
    Signora Silvana, die die Kaffeekanne verwaltete, reichte mir mit einem lächelnden »Guten Morgen« eine Tasse. »Waren Sie gestern in der Messe?« fragte sie. »Als Sie zum Mittagessen nicht zurückkamen, fragten wir uns, mein Mann und ich, was wohl mit Ihnen sei.«
    »Ich habe einen Freund getroffen«, sagte ich. »und wurde eingeladen, mit der Familie zu essen und den Tag über zu bleiben.«
    »Dabei fällt mir ein …«, fuhr sie fort, »eine Dame kam am späten Nachmittag vorbei, eine Signorina Raspa. Sie sagte, wenn Sie zurück wären, möchten Sie sie doch besuchen. Sie wohne Nummer 5.«
    Arme Carla Raspa! Nachdem sie mit Aldo zweimal Pech gehabt hatte, war sie erbittert auf mich zurückgekommen.
    »Sagte jemand ›Messe‹«? fragte Gino. »Habe ich recht verstanden, oder haben meine Öhrchen mich getäuscht?«
    »Ja, ich bin zur Messe gegangen«, sagte ich. »Die Glocken von San Cipriano riefen, und ich bin ihnen gefolgt.«
    »Das ist doch alles Aberglauben«, sagte Gino. »Die Priester werden fett dabei, und sonst keiner.«
    »Früher«, sagte Caterina Pasquale, die sich zu der Gruppe gesellt hatte, »früher blieb einem gar nichts anderes übrig, als zur Messe zu gehen. Es war die übliche Morgenunterhaltung, bei der man Freunde und Bekannte traf. Heute kann man so viele andere Dinge unternehmen. Raten Sie einmal, was Paolo und ich gemacht haben?«
    Sie lächelte mich aus ihren riesengroßen Augen an und biss ein Stück von ihrem Brötchen ab.
    »Wir haben uns den Alfa Romeo von unserem Bruder ausgeborgt und sind nach Venedig gefahren«, erzählte sie. »Wir sind gerast wie die Irren und haben es in viereinviertel Stunden geschafft. Das nenne ich Leben. Oder?«
    »Es könnte auch Sterben heißen«, sagte ich.
    »Ach was, im Risiko liegt der halbe Spaß«, sagte sie.
    Mario mimte indessen Caterina am Steuer, wie sie in die Kurve ging, auswich, den Motor aufheulen ließ, bevor es plötzlich krachte.
    »Sie sollten es so machen wie ich«, sagte er zu mir, »eine Vespa mit einem verstärkten Motor fahren. Da kommen Sie zweimal so schnell ins Ziel.«
    »Ja«, mischte Signora Silvana sich ein, »und uns alle aufwecken mit dem Lärm, den ihr produziert. Sonntag abend kann hier kein Mensch mehr schlafen.«
    »Ach nein – haben Sie uns gehört«, lachte der Student.
    »Eine ganze Bande kam gemeinsam von Fano zurück. Zack … zack … zack … Wir hofften so sehr, wir würden Sie ein bißchen aufmuntern mit unserem Konzert. Wirklich, genau das braucht Ihr Ruffaneser, eine Prise Auspuffmusik, die das Wachs in euren Ohren zum Schmelzen bringt.«
    »Sie sollten uns gesehen haben«, fiel Gerardo ein, »wie wir um die Stadt herumgebraust sind, hinauf und um die Via delle Mura immer rundum, und dann mit den Scheinwerfern aufs Mädchenpensionat gezielt, damit die da drinnen ihre Fensterläden aufmachten.«
    »Haben sie sie aufgemacht?« fragte Caterina.
    »Die doch nicht. Die waren doch schon alle seit neun an ihre Matratzen angebunden.«
    Lachend und diskutierend stürzten sie davon. Nur die kleine Caterina drehte sich noch einmal um und rief: »Auf heute abend! Wir drei könnten uns vielleicht treffen.«
    Signora Silvana sah ihnen mit einem Lächeln

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