Das Geheimnis des Falken
Gemisch aus Teigwaren und Sauce ausgiebig mit geriebenem Käse.
»Das Gesetz kann nicht einschreiten, wenn niemand Klage erhebt«, sagte sie. »Offenbar haben die Jungen ihre Reaktion vorausgesehen und infolgedessen den Streich gewagt. Natürlich wird es einen fürchterlichen Krach wegen des Einbruchs geben. Aber was Signorina Rizzio widerfahren ist, bleibt ihre eigene Angelegenheit. Wenn sie sich weigert, auf tätlichen Angriff zu klagen, und ihr Bruder sich auf ihren Standpunkt stellt, kann niemand etwas dabei machen. Haben Sie Wein bestellt?«
Ich hatte Wein bestellt und goß ihr davon ein. Sie trank so gierig, als sei ihre Kehle völlig ausgedörrt.
»Sie haben sie nicht etwa misshandelt«, fuhr sie fort. »Soviel ich verstanden habe, kann davon keine Rede sein. Keine Tätlichkeiten. Sie haben ihr nur freundlich und schonend beigebracht, was eine Harke ist.«
»Woher wissen Sie das?« fragte ich.
»Das wird halt kolportiert! So erzählen es die Mädchen aus dem Pensionat. Nun, wo sie sich von ihrer Angst vor den maskierten Männern erholt haben und selbst unbeschädigt davongekommen sind – soweit sie unbeschädigt waren –, sind sie ganz außer Rand und Band. Daß ausgerechnet ihr das passieren mußte, der Signorina! Sie müssen zugeben, daß die Jungen gut sind! Dazu gehörte schon allerlei Courage!«
»Ich kann die Geschichte immer noch nicht glauben«, sagte ich.
»Ich bin überzeugt, daß sie wahr ist«, erwiderte sie. »Und da man die Polizei nicht einschaltet und uns erzählt hat, die Signorina sei unpässlich, können Sie Gift darauf nehmen, daß die Sache stimmt. Ob es ihr wohl Spaß gemacht hat? Was meinen Sie?«
Ihre Augen glitzerten, während mich eine leichte Übelkeit überkam. Brutalität in jeder Form stieß mich von jeher ab, und wie man insbesondere alten oder sehr jungen Menschen Gewalt antun konnte, hatte ich nie verstanden. Ich schwieg.
»Nein«, sagte ich schließlich, »Nein, das glaube ich nicht.«
»Ich finde, sie hat es selbst herausgefordert«, sagte Carla Raspa, »indem sie ihre Mädchen wie Novizinnen behandelte, die im Begriff sind, die heiligen Gelübde abzulegen. Nicht einmal im Gemeinschaftsraum durften sie Besucher aus dem Studentenheim empfangen, und abends um zehn wurden die Türen abgeschlossen. Ich weiß Bescheid, weil viele der Mädchen bei mir hören und die Besichtigungen mitmachen. Die Empörung hatte den Siedepunkt erreicht. Es ist völlig klar, daß eines der Mädchen die jungen hereingelassen hat. Und dann wurde; am Schlüsselloch gehorcht und die Geschichte unter die Leute gebracht.«
Ich hatte die pompöse Gestalt wieder vor Augen, wie sie gestern mit mildem Widerwillen an ihrem Mineralwasser nippte.
Carla Raspa, die mit dem Gesicht zur Tür saß, beugte sich plötzlich vor und berührte meine Hand.
»Drehen Sie sich jetzt nicht um«, sagte sie. »Professor Elia, der WW-Direktor, ist eben mit mehreren Kollegen gekommen. Ich frage mich, ob er wohl zurücktreten muß.«
»Warum sollte er zurücktreten?« fragte ich. »Wer könnte denn nachweisen, daß seine Jungen den Einbruch verübt haben?«
»Aber es liegt doch auf der Hand«, sagte sie. »Signorina Rizzio hat sich ununterbrochen über das Betragen der WW-Studenten beschwert, und in der Universitätszeitung wurde darüber berichtet. Letzte Nacht haben sie es ihr heimgezahlt.«
Ich wartete, bis sich die Herren an einem Tisch links neben uns niedergelassen hatten, ehe ich mich umwandte und schaute.
»Elia ist der Große, Breite, mit dem dichten Haarschopf. Es gibt in ganz Ruffano niemand, der mehr von sich eingenommen wäre als er. Aber er erreicht auch etwas. Kommt aus Mailand – das auch noch.«
Professor Elia trug eine breitrandige Brille und eine Bürstenfrisur. Seine mächtige Statur war von der Sorte, die nie in einen Anzug paßt. Der sündhaft teure Stoff schlug an allen Enden Falten. Er sprach sehr schnell, wobei er sich über den Tisch legte und sich von niemand unterbrechen ließ. Dann warf er plötzlich seinen zweifellos gutgeschnittenen Kopf zurück und brach in dröhnendes Gelächter aus.
»Fünf Mann«, sagte er, »einer nach dem anderen – hat man mir erzählt – und nicht ein Protestschrei!«
Der Tisch begann zu wackeln. Sein Gelächter erfüllte das ganze Restaurant. Die anderen Gäste wandten die Köpfe und starrten herüber. Einer der Kollegen brachte ihn mit einem Wink zum Schweigen, und während er sich verächtlich umwandte, begegnete er meinem Blick.
»Es ist
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