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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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und das Publikum, das ihn erkannt hatte und seinen Auftritt mit entzücktem Händeklatschen feierte, drängte nach vorn zur Bühne.
    Man konnte sich keinen größeren Gegensatz zu dieser Szene vorstellen als Aldos Sonnabend-Versammlung im Palazzo Ducale. Keine Rede von Fackeln, von feierlichem Schwingen, von Leibwächtern und mystischem Beiwerk. Aldo zeigte sich, in souveräner Verachtung aller professoraler Würde, entschlossen, sich mit der Masse der Studenten auf dieselbe Stufe zu stellen. Die Geste war großartig, die Wahl der Stunde bewundernswert. Ich fragte mich, wann und wie er das Ganze geplant und organisiert haben mochte.
    »Ich glaube, wir haben ihn allesamt ganz falsch eingeschätzt«, sagte Caterina. »Ich dachte, er sei genauso feierlich und überheblich wie die übrigen Professoren. Aber sehen Sie ihn an, sehen Sie nur! Er könnte einer von uns sein.«
    »Ich wußte, daß er noch jung ist«, warf Paolo ein. »Schließlich ist er noch keine vierzig. Nur haben wir nie Kontakt mit ihm gehabt. Er gehört eben nicht zu unserem Lager.«
    »Von jetzt an gehört er dazu«, entschied Caterina. »Und was die anderen reden, soll mir gleich sein.«
    Das Tempo steigerte sich. Mittlerweile wogte und rockte der ganze Saal zum Schluchzen der Gitarren und zum Dröhnen der Trommeln. Dann ganz plötzlich, als die Grenze der Erschöpfung erreicht war, kam das Finale. Der letzte Klang erstarb. Aldo stieg herab vom Podium und trat an die Rampe der Bühne. Ein Student, einer der Gitarrespieler, produzierte irgendwoher einen Stuhl.
    »Kommt alle her«, sagte Aldo. »Ich bin fertig. Jetzt laßt uns miteinander reden.«
    Er ließ sich auf den Stuhl fallen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann hob er lächelnd den Kopf und forderte die, die in den ersten Reihen standen oder saßen, mit einem Wink auf, sich um ihn zu scharen. Ich bemerkte, daß die Beleuchtung im Saal schwächer geworden war und daß der Schein einer unsichtbaren Lampe von der Seite her Aldos Gesicht und die Gruppe um ihn herum effektvoll hervorhob. Aldo benutzte kein Mikrophon. Er sprach klar und deutlich, aber ohne das geringste Pathos. Es war, als plaudere er beiläufig mit den Studenten, die ihm am nächsten standen.
    »Wir sollten das öfter machen«, sagte er und wischte sich wieder die Stirn. »Das Dumme ist, daß ich so wenig Zeit habe. Für euch sind diese Dinge in Ordnung. Ihr könnt euch jeden Abend austoben, wenn ihr Lust dazu verspürt, oder an den Wochenenden – ich will damit nicht auf gestern nacht anspielen, darüber reden wir später –, aber für einen magenkranken Jungakademiker wie mich, der sein halbes Leben damit zubringt, mit Professoren herumzustreiten, die zwanzig Jahre älter sind als er und sich störrisch weigern, auch nur einen Schritt zu tun, der Ruffano und die Universität auf einen moderneren Stand bringen könnte – für mich ist das alles nicht drin. Irgend jemand muß in dieser verstaubten Alma mater schließlich das Kriegsbeil schwingen, und das werde ich weiter tun, bis man mich hinauswirft.«
    Seine Worte lösten eine Welle von Gelächter aus, worauf er sich, scheinbar überrascht, umsah.
    »Nein, nein«, sagte er, »ich spreche in vollem Ernst. Wenn sie eine Chance sähen, mich loszuwerden, würden sie sie ergreifen. Genau wie sie euch wegschicken würden, alle zweitausend – wenn die Zahl stimmt … Ich habe die genauen Ziffern nicht bei der Hand. Aber ungefähr läuft es wohl darauf hinaus. Warum möchten sie euch loswerden? Weil sie sich fürchten. Weil sie Angst vor euch haben.
    Die Alten fürchten sich immer vor den Jungen, aber ihr bedroht ihren gesamten Lebensstil noch in besonderem Maß. Jeder von euch, der die Universität mit einem Diplom in Wirtschaftswissenschaften in der Tasche verläßt, ist ein potentioneller Millionär und mehr als das. Er hat die Chance, die Wirtschaft nicht nur unseres Landes, sondern ganz Europas, ja der Welt zu leiten. Ihr seid die Herren von morgen, meine jungen Freunde, und das wissen alle. Darum hasst man euch. Das müßt ihr wissen!
    Hass wird aus der Furcht geboren, und auch eure Altersgenossen, die eure Intelligenz, euer mathematisches Gewußt- wie und eure Begeisterungsfähigkeit für das Leben, wie es morgen gelebt werden wird und gelebt werden muß, nicht besitzen, haben Angst vor euch! Tödliche; Angst.
    Kein Schullehrer, kein dreckiger kleiner Advokat, keiner der so genannten Dichter und Maler mit ihrer Hühnerleber – und das versuchen die Studenten

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