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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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immer noch lachend wartete, mir wie die Melodie der Hölle in den Ohren gellte.
    Ich ließ Caterina und Paolo stehen, die mit den anderen jubelten und schrien, und kämpfte mich zum nächsten Ausgang durch. Ich war der einzige, der aus der Menge auszubrechen suchte. Die Türwache – ich meinte einen der Kontrolleure in ihm zu erkennen, der letzten Sonnabend im Palazzo die Eintrittskarten geprüft hatte – streckte den Arm aus und versuchte mich festzuhalten. Aber es gelang mir, an ihm vorbeizuschlüpfen.
    Über die Piazza Matrice, die jetzt, bis auf ein paar einheimische Spaziergänger, verlassen dalag, ging ich zurück zur Via San Michele und hinauf in mein Zimmer.
    Es hatte keinen Sinn, heute abend noch etwas zu unternehmen. Die Sitzung im Theater konnte sich bis Mitternacht oder sogar noch länger hinziehen. Dort würden sie wohl weiter Schlager spielen, tanzen, reden, trommeln. Und Aldo würde seine Freiwilligen sammeln.
    Morgen aber wollte ich ihn zu Hause in der Via del Sogni besuchen und die Wahrheit aus ihm herausbringen. Mein Bruder hatte sich in zwanzig Jahren nicht verändert. Seine Technik war die gleiche geblieben. Der einzige Unterschied bestand darin, daß er damals mit der Phantasie eines kindlichen und ergebenen Verbündeten jongliert hatte, während er jetzt auf einem ganz anderen Instrument spielte, nämlich mit den unausgereiften, fieberheißen Emotionen von ein paar Tausend Studenten.
    Um die Darsteller eines Festivals in Stimmung zu bringen, mußte man sie doch nicht in eine Rivalität hineinpeitschen, in der der Keim zu einer regelrechten Katastrophe lag! Oder hoffte Aldo, indem er die beiden feindlichen Parteien gegeneinander hetzte, zu erreichen, daß die Luft ein für allemal gereinigt wurde? Dieser Theorie hatten in alter Zeit Feldherren gehuldigt. Sie hatte sich nicht bewährt. Vergossenes Blut hatte die Erde gedüngt und neuen Zwist gezeitigt. Ich wünschte, Signora Butali wäre nicht nach Rom gefahren. Ich hätte mit ihr reden können. Ich hätte sie warnen können vor Aldo und seinen mannigfachen Ränken, vor der magnetischen Anziehungskraft, die er auf die Arglosen, die Verwundbaren, die Jungen ausübte. Sie hätte ihm vielleicht abgeraten von seinen Unternehmungen oder hätte ihn einfach ausgelacht.
    Als die Studenten kurz nach Mitternacht in die Pension zurückkamen, löschte ich das Licht. Ich hörte Caterina leichtfüßig die Treppe herauflaufen, meine Zimmertür öffnen und leise meinen Namen rufen. Ich reagierte nicht, und gleich darauf ging sie wieder. Ich war nicht in der Stimmung, den Frischbekehrten zuzuhören oder mein eigenes Benehmen zu erläutern.
    Am nächsten Morgen wartete ich eigens, bis die ganze Gesellschaft das Haus verlassen hatte, bevor ich ins Esszimmer hinunterging. Signora Silvana saß noch am Tisch und las die Zeitung. Ihr Mann war schon fort.
    »Da sind Sie ja!« sagte sie. »Ich dachte schon, daß Sie besonders früh aufgebrochen sind, aber die Kinder meinten, nein. Waren Sie auch so fasziniert vom Direktor des Kunstrats wie die anderen?«
    »Er versteht sie zu nehmen«, sagte ich, »er wirkt sehr überzeugend.«
    »Das scheint mir auch so«, antwortete sie. »Jedenfalls hat er unsere Leute hier völlig überzeugt und die meisten anderen sicher auch. Für das Festival werden sie sich alle in Bürger von Ruffano verwandeln, und auf mich kommt das Vergnügen zu, aus ihren Hemden und Blue Jeans Wamse und Kniehosen zu zaubern. Herrlich, was?«
    Sie schob mir die Zeitung hin, während ich meinen Kaffee trank.
    »Hier ist unser Provinzblatt«, sagte sie. »Es ist ein kleiner Bericht über den Einbruch im Pensionat darin, aber sie schreiben, daß nichts gestohlen wurde und daß das Ganze nur ein Studentenstreich gewesen sei. Signorina Rizzio habe einen Asthma-Anfall erlitten, der in keinem Zusammenhang mit dem Einbruch stehe, und sei für vierzehn Tage irgendwohin in die Berge zur Erholung gereist.«
    Ich strich mir schweigend Butter auf mein Brötchen und las die Meldung durch.
    Carla Raspa hatte recht behalten. Signorina Rizzio war nicht imstande gewesen, sich dem Gespött ihrer Umwelt zu stellen. Wieviel an der Geschichte wahr oder unwahr sein mochte: Das Stigma des alten Mädchens, das man mit Gewalt entjungfert hatte, war als solches entwürdigend genug.
    »Ruffano macht Schlagzeilen«, fuhr Signora Silvana fort, »sehen Sie dort oben, den Bericht über die Frau, die in Rom ermordet worden ist. Sie stammte aus Ruffano, und jetzt wollen sie die Leiche

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